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Die eigentliche Krise des Hurrikans Katrina

von Bruce D. Perry, M.D., Ph.D.
Senior Fellow,
The ChildTrauma Academy


Die eigentliche Krise des Wirbelsturms Katrina wird kommen. Sie wird unbarmherziger und gewaltiger als das Flutwasser in New Orleans sein, zerstörerischer als der Hurrikan mit seinen Windgeschwindigkeiten von 150 Meilen/h. Sie wird einen Teil unseres Landes zerstören, der sehr viel wertvoller als all die Gebäude, Pipelines, Kasinos, Brücken und Straßen der gesamten Golfküste ist. Über die Dauer unseres Lebens wird diese Krise unsere Gesellschaft Milliarden und Abermilliarden an Dollar kosten. Und das Echo der kommenden Krise wird die nächste Generation heimsuchen.

Diese Krise ist vorhersehbar. Und ein großer Teil ihrer zerstörerischen Auswirkung ist vermeidbar. Dennoch besitzt unsere Gesellschaft möglicherweise nicht die Weisheit zu erkennen, dass die eigentliche Krise des Hurrikans Katrina in Hunderten von Tausenden an gezeichneten, heimatlosen und traumatisierten Kindern besteht. Möglicherweise besitzt unsere Gesellschaft nicht den Willen, diese Krise zu verhindern. Wir begreifen zerbrochene Gebäude, nicht aber gebrochene Kinder.

Wir werden Milliarden und Abermilliarden für den Wiederaufbau der Straßen, Brücken, Gebäude, Pipelines, Bohrinseln, Kasinos und Häuser ausgeben. Werden wir Milliarden dafür ausgeben, diese Kinder zu heilen? Wir werden Milliarden in die Wiederherstellung von New Orleans investieren. Werden wir Milliarden in die Wiederherstellung des Potentials dieser Kinder investieren?

Die Zukunft von New Orleans und der Golfküste ist nicht abhängig von Baukonstruktionen. Unsere Zukunft ist abhängig von unseren Kindern. Falls wir die Erfahrungen an Sicherheit, Fürsorge, Voraussehbarkeit und Erfahrungsreichtum, die diese Kinder brauchen, nicht gewährleisten und falls wir unsere Betreuer, Pädagogen und psychologischen Fachkräfte nicht mit den Werkzeugen ausrüsten, die sie benötigen um traumatisierte Kinder zu verstehen, zu beschäftigen, zu erziehen und zu heilen, dann werden all diese neuen Gebäude mit kämpfenden Kindern gefüllt sein, die im Erwachsenenalter lediglich einen Bruchteil ihres tatsächlichen Potentials aufweisen.

Wir wissen, dass traumatische Erlebnisse eine Schar von chronischen und manchmal lebenslangen Problemen verursachen können. Über 35% der Kinder, die einem einzelnen traumatischen Ereignis ausgesetzt waren, werden schwerwiegende psychische Probleme wie beispielsweise eine Posttraumatische Belastungsstörung (PTSD) entwickeln. Dies ist jedoch nur der Anfang. Kinder, die negativen Erfahrungen ausgesetzt sind, tragen ein wesentlich höheres Risiko im Laufe ihres Lebens physische Gesundheitsprobleme zu erleiden, wie unter anderem Herzerkrankungen, Diabetes und Hypertonie. Traumatisierte Kinder sind weitaus gefährdeter, weitere emotionale, soziale und mentale Störungen zu erleiden und während diese Kinder zu Erwachsenen werden, wird dieses Risiko sie begleiten. Erwachsene mit Kindheitstraumata haben unter anderem erhöhte Scheidungsraten, Depressionen, PTSD, Alkoholismus, Drogenmissbrauch und Abhängigkeit, schulisches Versagen und Arbeitslosigkeit. Traumatisierte Kinder werden im Laufe ihres Lebens mit größerer Wahrscheinlichkeit die Hilfe unseres teuren staatlichen Systems benötigen; Sonderschulen, Kinderschutz, medizinisch-psychologisches Gesundheitswesen und Strafjustiz.

Wir wissen weiterhin, dass traumatisierte Kinder, die adäquate Hilfe erhalten, gesunden können. Wir wissen, dass traumatisierte Kinder sich erholen werden, wenn sie die Möglichkeit haben, in einer sicheren, beständigen, beziehungsreichen und fürsorglichen Umgebung zu leben. Tatsächlich können traumatische Erfahrungen zu einer Weisheit und Stärke führen, die man unmöglich auf anderem Wege erlangen könnte. Dennoch setzt eine Heilung ein und die Weisheit erwächst nur dann, wenn das Kind in Sicherheit und geborgen ist und seine emotionalen Bedürfnisse befriedigt sind.

Wenn wir diesen Kindern nicht helfen, wird das was verloren wurde verblassen, im Vergleich zu dem, was verloren werden könnte. Die potenzielle Kreativität, Produktivität und Menschlichkeit tausender dieser Kinder steht auf dem Spiel. Werden wir die gleiche Aufmerksamkeit widmen und die gleichen ökonomischen und persönlichen Ressourcen bereitstellen, um diesen Kindern zu helfen, die wir in den Wiederaufbau der Infrastruktur investieren? Ich bezweifele es.

Die wahre Betrachtungsweise unserer Gesellschaft hinsichtlich der Kinder zeigt sich in den bereits jetzt schon unterfinanzierten, überlasteten öffentlichen Diensten, die mit Kindern arbeiten; Bildungswesen, Kinderpsychologie, Dienstleistungen für Säuglinge und Kleinkinder, Kinderbetreuung, Kinderschutz – all diese Einrichtungen sind unterfinanziert und überlastet mit den existierenden Bedürfnissen von Kindern. Diese Flut an Bedürfnis erstreckt sich weit über die Straßen von New Orleans hinaus. Schon vor Katrina überfluteten wir unsere an vorderster Front stehenden Kinderbetreuer, Erzieher, Jugendsozialarbeiter und Psychologen. In allen betroffenen Gemeinden und sämtlichen sich für die Unterstützung der Familien einsetzenden Gemeinden, können die existierenden pädagogischen, ärztlichen, psychologischen und sozialen Dienste kaum den Bedürfnissen der ihnen anvertrauten Kinder nachkommen. Diesen überlasteten Einrichtungen werden tausende und abertausende an Kindern zugeführt – heimatlos, aufgewühlt, verzweifelt und traumatisiert. Wir müssen diesen Systemen und Einrichtungen helfen, damit sie diesen Kindern helfen können.

Diese Bedürfnisse können gestillt werden. Man wird Führungsqualität, Energie, Weisheit, finanzielle Mittel und Zeit brauchen, um der Krise entgegenzutreten. Wir brauchen Mitgefühl und Wissen; Freundlichkeit und gute Absichten werden diese Probleme nicht lösen können. Wir müssen auf Traumata spezialisierte Institutionen schaffen; frühkindliche und kindliche Betreuung, Bildungswesen, Strafverfolgung, Gesundheitswesen, Psychologie und Psychiatrie, Kinderschutz und Jugendgerichtsbarkeit werden sämtlich zutiefst durch traumatisierte Kinder beschwert sein. Je mehr wir alle die Auswirkungen und Bedeutung von traumatischen Ereignissen verstehen, desto leichter wird es sein, diese Auswirkungen zu verhindern und zu mildern.

Und für diejenigen Kinder, die ernsthafte psychische Störungen entwickeln, müssen wir auf Traumata spezialisierte Gesundheitsdienste bereitstellen können. Wir benötigen weitaus mehr ausgebildete Kräfte als wir momentan haben. Zudem benötigen wir mehr Wissen über die Verhütung und Heilung von emotionalen, sozialen, kognitiven, physischen Problemen und Verhaltensstörungen die mit Traumata in Zusammenhang stehen. Deshalb müssen wir zusätzliche Forschung fördern und betreiben.

In Kürze werden wir unseren Kindern dieselbe Aufmerksamkeit und dieselben Mittel geben müssen, die wir unseren Straßen, Brücken, Pipelines und unserer Infrastruktur geben. Die Gesundheit, Produktivität und Kreativität einer Gesellschaft wird mit jeder Generation durch ihre Kinder erneuert. Die Gesellschaft, die das versteht und dementsprechend handelt, wird erfolgreich sein Die Gesellschaft, die es nicht versteht, ist zum Scheitern verurteilt. Verurteilen wir diese Kinder nicht zum Scheitern. Verurteilen wir uns selbst nicht zum Scheitern.


Dr. Perry ist der Vorsitzende der ChildTrauma Academy und hatte von 1992 bis 2001 eine Forschungsprofessur für Kinderpsychiatrie am Baylor College of Medicine in Houston, Texas, inne, wo er auch Leiter der Kinderpsychiatrie des Texas Children`s Hospital war. Dr. Perry war zudem Direktor des Provincial Program in Children`s Mental Health in Alberta, Canada, und ist der Autor von mehr als zweihundert wissenschaftlichen Abhandlungen. Er hat Dutzende von Auszeichnungen und Ehrungen erhalten und ist eine international anerkannte Autorität im Bereich der Erforschung von Kindesmisshandlung und den Auswirkungen, die Traumata und Vernachlässigungen auf die Entwicklung des Gehirns haben. Dr. Perry hat zudem akademische Titel in Kinderheilkunde, Pharmakologie und Neurologie inne.

Seine klinischen Erfahrungen wie auch seine langjährige Tätigkeit in der Traumaforschung  haben viele Benörden und öffentliche Einrichtungen veranlasst, Dr. Perry als Berater bei schwersten Unglücksfällen heranzuziehen.; unter anderem nach der Belagerung der Farm der Davidianer, dem  Oklahoma City bombing, den Columbine school shootings und den terroristischen Anschlägen des 11. September.  Eine vollständige Biographie finden Sie hier.

Die Child Trauma Academy ist eine non-kommerzielle Organisation mit Sitz in Houston, Texas. Sie ist ein einzigartiger Zusammenschluss von Menschen und Einrichtungen, die daran arbeiten, das Leben gefährdeter Kinder durch direkte Betreuung, Forschung und Lehre zu verbessern. Die Child Trauma Academy kann im internet besucht werden: ChildTrauma website.


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