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Eine Leseprobe aus

E I S G O T T

von Andrew Vachss


Nach einer kurzen Dusche zog Wesley sich wieder an und ging zum Schießstand im dritten Stock. Er richtete sorgfältig das Visier aus und kalibrierte das neue M 16, das Pet von einem Fähnrich in Fort Dix gekauft hatte. Die wenigen bei den regelmäßigen Inventuren fehlenden Waffen wurden üblicherweise dem Hersteller in Rechnung gestellt, der seinerseits die Waffen so weit unterhalb der gemäß dem Regierungsvertrag geschuldeten Spezifikationen produzierte, dass er an einen Protest wegen der geringen Extrakosten nicht einmal dachte. Wesley konnte jede gewünschte militärische Schusswaffe bekommen, wobei jedermanns Vorstellungen gewahrt blieben ... sogar bei den beiden Rekruten, die glaubten sie würden eine Ladung M 16 an einen Regierungsagenten verkaufen, der Stichproben vornehmen wollte um sicherzustellen, dass sie gut genug funktionierten, damit „unsere Jungs“ geschützt waren, in welchem Dschungel auch immer sie dieses Jahr gerade kämpften.

Wesley zerlegte stets jede Waffe und baute sie entsprechend den korrekten Spezifikationen wieder zusammen, wobei er das Handbuch als Anleitung verwendete. Er erinnerte sich daran, dass er in Korea sein eigenes Gewehr wegwarf, als er schließlich ein solides, verlässliches russisches AK-47 in die Finger bekam; damals trug in seiner Truppe niemand mit ein wenig Verstand die Army-Ausrüstung. Sie alle hatten zudem Pistolen, die eigentlich nur für Offiziere bestimmt waren. Sie schmissen die unhandlichen Granatwerfer weg („Im Gefecht verloren, Sir!“) und schnappten sich sogar die russischen Messer, wo sie konnten.

Etwas an all dem hatte Wesley verwirrt und er entschloss sich schließlich, den cleversten Burschen in seiner Truppe danach zu fragen. Morty war ein kleiner Junge aus Brooklyn mit borstigen Haaren, der stets die Nase in einem Buch hatte.

„Die wollen, dass wir den Krieg gewinnen, richtig?“

„Das hier ist kein Krieg, Wes. Es ist eine Polizeiaktion.“

„Wenn die Polizei zu einem Einsatz in meine Nachbarschaft kommt, dann ist das Krieg.“

„Was ich meine ist, dass nicht der Kongress den Nord-Koreanern den Krieg erklärt hat“, erklärte Morty geduldig. „Die Vereinten Nationen führen das hier durch.“

„Es sind die Nord-Koreaner gegen die Süd-Koreaner, richtig?“

„Und?“

„Also warum lassen wir sie dann ihre Angelegenheiten nicht selbst regeln?“

„Wegen des Kommunismus, Wes. Nord-Korea wird von den Roten kontrolliert und die wollen verdammt noch mal die Macht in der ganzen Welt übernehmen; wenn wir sie nicht hier stoppen, werden wir sie irgendwann in Amerika bekämpfen müssen.“

„Und uns gehören die Südkoreaner, richtig?“

„Nein. Die ‚gehören‘ niemandem. Was die Süd-Koreaner wollen, ist frei sein.“

„Und warum kämpfen sie dann nicht?“

„Tun sie ja. Es ist nur so, dass ... “

„Ach, Blödsinn, Mann. `nen Scheiß tun sie, außer uns übers Ohr zu hauen. Sie lassen ihre Frauen kranke Huren sein und sie selbst spülen das Scheiß-Geschirr oder waschen die Wäsche und so ... warum kämpfen sie nicht gegen uns?“

„Wir sind auf ihrer Seite, wir helfen ihnen, frei zu werden.“

„`ne Kugel ist `ne Kugel, oder? Das sagen jedenfalls alle – wenn wir anfangen zu feuern, war`s das für alles, was gelb ist.“

„Yeah. Nun, sieh mal ... warum hast du gefragt, ob wir gewinnen wollen?“

„Wenn wir gewinnen wollen, warum geben sie uns dann so lausige Kanonen?

„Nun, du kennst die Fabriken. In Kriegszeiten müssen sie ...“

„Ich dachte, das ist `ne beschissene Polizeiaktion?“

„Mensch, Wesley, es wird immer schwerer, sich mit dir zu unterhalten.“

„Weißt du, was ich denke, Morty?“

„Was?“

„Ich denke, wir sind die Kugeln, weißt du?“


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