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Auszug aus

Strega

 von Andrew Vachssss




Strega

 

Die dritte Schicht fing gerade an, als ich mit dem großen Plymouth die Flatbush Avenue hoch zur Tankstelle rollte. Ich lenkte vor die Super-Zapfsäule, bat den Tankwart, ihn vollzumachen, und sah, wie der verschlagen blickende Dreckskerl Benzin für zusätzliche achtundzwanzig Cents über die Seite meines Autos spritzte, damit er auf die glatte Summe kam und das Wechselgeld nicht ausrechnen mußte. Als er zum Fenster herum kam, sagte ich bloß: "Julio?", und er nickte nach hinten. Bevor er nach seiner Asche fragen konnte, stieß ich den Knüppel auf "Fahren" und zog davon.

Sobald ich hinter die Tankstelle stieß und den weißen Coupe deVille sah, wußte ich, daß Julio einen seiner Schläger zum Auszahlen geschickt hatte - der alte Mann hält das für einen Klasseakt. Das Fenster auf der Fahrerseite des weißen Caddy war runter - der Kerl im Inneren erblickte den Plymouth und öffnete seine Tür, noch bevor ich zum Stehen kam.

Genau was ich erwartet hatte: ein reinrassiger Stronzo - zirka fünfundzwanzig Jahre alt, geföntes Haar über einem klotzigen Gesicht mit Atlantic-City-Bräune und dunkler Brille, das weiße Seitdenhemd bis zur Brust offen, so daß ich die Goldketten sehen konnte, enge dunkle Hosen, glänzende schwarze Stiefeletten. Seine Ärmel waren weit genug hochgerollt, um mir die muskulösen Unterarme zu zeigen, ein schweres Goldarmband am einen Handgelenk, eine flache Golduhr am anderen. Zentrale Bühnenvermittlung.

Der Stronzo stieg aus einem Caddy, stieß die Tür hinter sich zu und schlenderte rüber zu mir.

"Bist du Burke?" wollte er wissen.

"Sicher", sagte ich. Ich war nicht zum Reden hergekommen,

"Ich hab was für dich- - von Mr.C."

Ich steckte die linke Hand aus, Fläche nach oben, und hielt die Rechte so, daß er sie nicht sehen konnte.

"Ich hab hier zehn Riesen", sagte er und klopfte sich auf die Tasche.

Ich sagte nichts - der Wichser war über irgendetwas unglücklich, doch das war nicht mein Problem.

Er linste in den Plymouth und beobachtete mein Gesicht.
Und dann rückte damit raus. "Auf mich wirkst du gar nicht taff, Mann. Was immer du für den Alten getan hast - ich hätt´s auch gekonnt."

"Gib mir das scheiß Geld", beschied ich ihm freundlich. "Ich bin nicht hier rausgefahren, um mir deine Schmonzette anzuhörn."

"He, du Arsch, willste nicht zuhören. Geld siegt, richtig?"

"Weiß ich nicht, Kleiner. Aber das Geld, das du hast, fliegt besser, verstehst du?" - und ich öffnete und schloß meine Hand ein paarmal , damit er die Botschaft kapierte.

Der Stronzo nahm seine dunkle Brille ab, hängte sie an seine baumelnden Kettchen und tat so, als denke wirklich darüber nach, mich nicht zu bezahlen - oder er tat nur so, als denke er wirklich, ich konnte nicht sagen, was. Dann entschied er sich. Er reichte mir ohne weiteres Wort den Umschlag, hatte aber noch etwas im Sinn. Ich schmiß den Umschlag auf den Rücksitz, damit er über was anderes nachdenken konnte. Ich nahm den Fuß von der Bremse, und der Plymouth begann vorwärts zu rollen.

"He!" sagte er. "warte ´ne Sekunde."

"Was?"

"Äh... schau, Mann. Wenn Du jemals irgendwen bei der Arbeit brauchst..., du weißt schon.
Ich könnte immer ´n bißchen Extraknete brauchen, klar?"

"Nein", beschied ich ihn, das Gesicht undurchdringlich wie eine Gefängnismauer.

"He, hör mir doch bloß ´ne Minute zu, okay? Ich hab Erfahrung, weißt du, was ich sage?"

"Kleiner", erklärte ich ihm, "von mir gibt´s Steckbriefe, die sind älter als du", und wollte wieder anrollen.

Die Hand des Stronzo marschierte wieder in seine Tasche, doch diesmal brachte er einen kurzläufigen Revolver zum Vorschein - er steckte ihn durch das offene Fenster und hielt ihn mir ruhig zirka fünf Zentimeter vors Gesicht.

"Mach keinen scheiß Mucks! Kapierste das? Du bleibst, beim Arsch nochmal, da sitzen und hörst zu, wenn ich rede, verstehst du? ich bin kein scheiß Nigger, den du einfach stehen läßt - ich rede mit dir."

Ich blickte ihn an, sagte nichts. Es gab nichts zu sagen - Julio schickte mir einen Botenjungen mit gefährlichem Größenwahn.
Heutzutage gutes Personal zu finden ist schwer.

"Zeig mir gefälligst ´n bißchen Respekt, hä?" bellte der Stronzo, "Du bist kein´ Scheiß besser als ich."

"Yeah, bin ich", beschied ich ihn, nett ruhig und sachte.

"Bevor ich´s tu, denk drüber nach, was ich tu. Denk du jetzt drüber nach. Denk drüber nach, daß ich allein hierher gekommen bin. Denk drüber nach, wie du von hier rauskommen willst. Denk drüber nach, was du dem alten Mann erzählen willst. Denk drüber nach... und dann denk drüber nach, was du zu sagen hast - und sag es."

Der Stronzo versuchte nachzudenken und gleichzeitig die Knarre auf mich zu richten. Es war zu viel des Guten und überforderte sein Hirn. Der Kurzläufige zitterte für eine Sekunde in seiner Hand, und er schaute ihn an, als ob er ihn ausgetrickst hätte. Als seine Augen wieder zu mir hochkamen, blickte er auf die abgesägte Schrotflinte, die ich in meiner rechten Hand hielt.

"Ich höre", erklärte ich ihm. Aber er hatte nichts zu sagen.

"Du weißt, wie man das Ding lädt?" fragte ich ihn. "Oder hat das jemand für dich gemacht?"

"Ich weiß..." murmelte er.

"Dann entlade es, Scheiße nochmal, Kleiner. Und mach langsam - oder ich puste dir deine hübschen Goldketten mitten durch die Brust."

Er richtete den Revolver nach oben, klappte die Trommel raus, hielt sie umgedreht und ließ langsam die Patronen rausfallen. Sie machten ein leises Plopp-Geräusch, als sie am Boden aufschlugen. Auf dem Hinterhof gab es soviel feuchten Schrott, daß man ohne allzuviel Lärm einen Safe aus dem zehnten Stock hätte fallen lassen können.

"Hör mir zu", sagte ich ruhig, wie ein Totengräber. "Du hast ´nen Fehler gemacht. Wenn du auch nur dran denkst, noch einen zu machen, dann geh und mach dein Testament, verstanden?"

Er nickte bloß. Schon besser. Ich tippte aufs Gas, und der Plymouth rollte vom Hof und steuerte heimwärts. Als ich die Flatbush Avenue kreuzte, hatten meine Hände aufgehört zu zittern.

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