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The Official Website of Andrew Vachss

 

Ein gehaltenes Versprechen

Von Andrew Vachss

Ursprünglich veröffentlicht im CWRU Magazine, Herbst 2002, Bd. 15, Nr. 1 ____________________________________________________________

Bis zur siebten Klasse war ich ein hervorragender Schüler. Meine Mutter lehnte das Bemühen der Schule ab, mich ein paar Klassen überspringen zu lassen und begründete dies damit, dass ich sozial mehr verlieren würde, als ich akademisch gewinnen könne.

Dann schlug die Pubertät zu. Ich wurde der Schule gegenüber zunehmend gleichgültig – wurde quasi ein Nicht-Teilnehmer. Desinteressiert, unberührt, einfach so verdammt gelangweilt. Ich betrachtete die Schule als eine Strafe, die man absitzen musste und hatte nicht vor, noch mehr Zeit im College abzusitzen.

Doch als das Marine Corps – für mich um "Fünf vor Zwölf" – verkündete, dass sie nur Männer mit beidseitigem Sehvermögen rekrutieren – ein Erfordernis, an dem ich wegen einer alten Verletzung scheiterte –, entdeckte ich schnell, dass Fabrikarbeit im Vergleich zur Schule diese aufregend erscheinen ließ.

So, nur mit den Ergebnissen des Zulassungstests für Universitäten bewaffnet – der meine Noten anzeigte, welche vielleicht kein genauer Anhaltspunkt für meine Intelligenz waren –, meldete ich mich in letzter Minute wahllos bei ein paar Schulen an und ging pflichtgemäß zu den Vorstellungsgesprächen.

Ich bin nicht sicher, was es mit dem Interviewer der Western Reserve Universität auf sich hatte – vielleicht erinnerte er mich an den Rekrutierer der Marines, der meine Fantasie so sehr mit Bildern meines eigenen Leistungsvermögens befügelt hatte.

Aber ich startete am College ohne Plan. Meine Zimmergenossen wussten alle, warum sie dort waren: Sie wollten Ärzte, Wissenschaftler, Lehrer, Schauspieler, Rechtsanwälte werden ... Ich – ich hatte keinen blassen Schimmer. Ich verbrachte mehr Zeit in Billardzimmern als in Klassenzimmern. Meine Exkursionen gingen runter zur 55th und Central oder rüber zu den Apartments. Ich hatte große Schwierigkeiten, die Bücherei zu finden, aber ich konnte ein Kartenspiel an vierundzwanzig Stunden und sieben Tagen in der Woche finden. Jahrelang hatten mir Lehrer erzählt, dass ich eine „Begabung“ für das Schreiben hätte. Ich kümmerte mich nicht darum. Das war für Lehrer wie Toby Lelyveld inakzeptabel, der mich für meine Faulheit schalt, während er mir Möglichkeiten versprach, die ich mir niemals vorgestellt hatte – wenn ich nur dafür arbeitete. Und Mac Sawyer Hammonds berüchtigte Klasse für kreatives Schreiben war noch unerbittlicher darin, Ermutigung und Kritik zu mischen.

Die Western Reserve wollte einen Nicht-Teilnehmer nicht einfach tolerieren. Nachdem ich in einem Kern-Kurs durchgefallen war und meinen vorgeblichen Leistungskurs atomisiert hatte, „fand“ Dekan Cramer einen anderen für mich. Jedes Mal, wenn ich einen "disziplinarischen" Vorfall hatte, nutzte Dekan Griffin die Gelegenheit, um mir zu sagen, was die Universität von mir erwartete: Keine guten Noten – bis dahin hatte ich jeden von der Vergeblichkeit dieses speziellen Ziels überzeugt. Eher, wie er es immer ausdrückte, eine „Wirkung“.

Und als ich abbrach, um zu heiraten (und in einem unbedeutenden Job zu arbeiten), war es Dekan Griffin, der mich wieder auf den Teppich holte ... um mir zu sagen, dass die Universität gerade wunderbarerweise genug Ausbildungsbeihilfe für mich gefunden hatte, damit ich meinen Abschluss machen konnte.

Während meines letzten Semesters besuchte die US-Gesundheitsbehörde den Campus. Sie suchten nach Ermittlern, um die Ansteckungswege von sexuell übertragbaren Krankheiten durch das Land zu verfolgen.

Das war kein Schreibtischjob. Ich arbeitete mich von Dachwohnungen zu Hurenhäusern, von Privatschulen zu den Lagern von Wanderarbeitern – und allem dazwischen. Es war da draußen, als ich zum ersten Mal die Bestie traf: Menschen, die Jagd auf Kinder machen.

Diese Begegnung erfüllte mich mit Wut, und seitdem befinde ich mich in einem tödlichen Kampf. Zuerst arbeitete ich einige Zeit als Sozialarbeiter, dann unternahm ich eine Mission nach Biafra (dem heutigen Nigeria) während seines Völker mordenden Bürgerkriegs. Nach meiner Rückkehr leitete ich ein Hochsicherheitsgefängnis für gewalttätige Jugendliche. Nach alldem war ich abgestoßen, betrübt ... und noch wütender!

Also studierte ich Jura. Meine Absicht war es, nur Kinder zu vertreten. Aber bis zu dem (gänzlich unerwarteten) Erfolg meines ersten Romans war ich nicht in der Lage, mich ganztägig einer „Praxis“ zu widmen, die einem Armutsschwur so sehr nahe gekommen war. Und durch die Romane hatte ich die „Wirkung“ gefunden, die mir immer versprochen worden war.

Ich hatte das College betrachtet, wie ich die High School betrachtet hatte – als etwas, das man ertragen musste ... mit geringer Beteiligung und noch weniger persönlichem Einsatz. Doch trotz meiner besten Bemühungen weigerte sich die Universität, meine Ausbildung zu vergeuden. Egal wohin ich mich wandte, wurde ich mit sozialen, kulturellen und akademischen Chancen bombardiert. Ich nahm durch einen osmotischen Prozess, den ich nie wirklich verstanden habe, aber zutiefst empfinden konnte, Wissen – und Werte – in mich auf. Eine andere Hochschule hätte mich – gerechtfertigterweise – auf den Seitenstreifen geworfen. Aber die Western Reserve lebte ihre eigene Rhetorik – hielt ihr Versprechen, dass ich in der Welt etwas bewirken könnte, indem sie bei mir etwas bewirkte.

Ich wusste es damals nicht zu schätzen. Mir fehlte das Verständnis dafür. Ich konnte es nicht anerkennen. Heute bedanke ich mich dafür. Und ich bemühe mich, immer so zu handeln, wie man es mir beibrachte.

Ich halte meine Versprechen.

Ich setze mich dafür ein, etwas zu bewirken.

Und ich gebe nicht auf.

Andrew Vachss (ADL '65) ist Rechtsanwalt in Manhattan, dessen Praxis ausschließlich dem Schutz von Kindern und Jugendlichen gewidmet ist. Er ist gleichzeitig Schriftsteller, der in vielen Genres arbeitet – einschließlich den langen Erzählformen – und dessen Romane in aller Welt übersetzt wurden. Sein neuestes Buch, 'Only Child' aus der „Burke“-Serie, wurde im Oktober bei Knopf veröffentlicht.

© CWRU Magazine. (Dank an CWRU Magazine Herausgeber Ken Kesegich). Dieser Artikel kann im Original im CWRU Magazine hier gelesen werden.

Deutsche Übersetzung T. K. für The Zero, März 2004



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