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Wie Journalismus Kinder missbraucht

von Andrew Vachss
Ursprünglich veröffentlicht auf The Zero, August 1996


Soweit es den Journalismus betrifft, existierte sexuelle Kindesmisshandlung vor dreißig Jahren noch nicht. Sobald ihre Existenz einmal anerkannt war, holte der Journalismus verlorene Zeit auf. Gewiss war der Journalismus die größte einzelne Kraft für Gerechtigkeit und fortschrittlichen sozialen Wandel. Aber eine schmutzige Unterströmung in der modernen journalistischen Sprache hat diese Ziele unterminiert; das Resultat ist nichts weniger als die Entkriminalisierung von sexueller Kindesmisshandlung. Gewisse hartnäckige Lügen – nicht, wie angemerkt werden sollte, „Klischees“, welche oft zumindest einen wahren Kern zum Inhalt haben – haben den Journalismus so durchdrungen, dass sie im Bewusstsein vieler Amerikaner zu Tatsachen geworden sind. Hier sind einige grelle Beispiele:

  • Ein Richter in Wisconsin verschont einen Kinderschänder von einer Gefängnisstrafe mit der Begründung, das fünfjährige Opfer sei „verführerisch“ gewesen.

    Es ist unbestritten, dass Kinder sinnliche – nicht „sexuelle“ – Wesen sind. Ihre physischen Sinne sind ein wichtiges Mittel, um die Grenzen ihrer Welt zu bestimmen. Aber einige dieser Grenzen müssen von Erwachsenen gelehrt werden. Es ist der natürliche Wunsch eines Kindes, diejenigen zu erfreuen, die die elterliche Rolle übernehmen. Dieser Drang kann absichtlich pervertiert werden – Kinder können leicht darauf „trainiert“ werden, ihren Misshandlern zu gefallen, indem sie sexuelle Aktivitäten „initiieren.“ Und wenn die Korruption der Sinnlichkeit nicht funktioniert, gibt es immer noch die andere Option des Pädophilen: Schmerz, der so unablässig ist, dass seine Vermeidung zur dominierenden Antriebskraft im Leben des Opfers wird. Das Kind für die „Darbietung“, die daraus resultiert zu beschuldigen (oder den Schänder zu entschuldigen) heißt, die Perversion zu verstärken.

  • Der Schauspieler River Phoenix beschreibt in einem Interview, das er vor seinem Tod an einer Überdosis Drogen gab, wie er „seine Jungfräulichkeit verlor“, als er drei oder vier Jahre alt war.

    Kinder „verlieren“ ihre Jungfräulichkeit nicht – sie werden geschändet oder vergewaltigt. Der geschädigte Erwachsene, der sich weiterhin als ein „Beteiligter“ an seiner eigenen Viktimisierung in der Kindheit betrachtet, ist ein tragischer Fall. Wenn Journalismus dies ausschlachtet, ist das unentschuldbar.

  • Ein Lehrer wird wegen Geschlechtsverkehrs mit einer Schülerin der zehnten Klasse verhaftet.

    Die Nachrichten stellen es so dar, dass er eine „Affäre“ mit dem Mädchen habe. Der Grund, warum Kinder nicht in sexuelle Aktivität einwilligen können – der Grund, warum wir Gesetze zur sogenannten „Unzucht mit Minderjährigen [in den USA: statutory rape. Anm.d.Ü.]“ – haben, ist wegen des riesigen Machtgefälles zwischen Opfer und Täter und der emotionalen Dominanz, die solchen Situationen innewohnt. „Affairen“ gibt es zwischen Erwachsenen. Der Begriff impliziert nicht nur Einvernehmen, sondern die Fähigkeit, informierte Entscheidungen zu treffen. Das Ungleichgewicht an Macht zwischen Schülern und Lehrern ist so tief, dass von jeder sexuellen Handlungsweise zwischen ihnen als dem berichtet werden sollte, was sie ist: sexuelle Ausbeutung.

  • Von Inzest wird als einem „Verbrechen ohne Gewalt“ berichtet (natürlich nur, wenn es nicht als „soziales Problem“ beschrieben wird, das „Beratung“ anstelle von Inhaftierung erfordert.)

    In Wirklichkeit ist Inzest, selbst wenn keine körperliche Gewalt angewandt wird, Vergewaltigung durch Erpressung - ein großer Missbrauch der tiefsten Machtbeziehung von allen, eine grausame Verletzung einer Art-spezifischen Verpflichtung, sein eigenes Kind zu beschützen.

Aber der vielleicht größte journalistische Angriff von allen fasst alle schmutzigen Mythen von Kindern und Sex zusammen und überhöht sie: „Kinderprostitution.“

„Prostitution“ ist der Austausch von Sex für Geld. Oft als ein „Verbrechen ohne Opfer“ bezeichnet – an sich schon eine debile Aussage – nimmt die Öffentlichkeit das Wort „Prostituierte“ als abwertend wahr. In der Tat nennen wir eine Person, die im Austausch für einen persönlichen Gewinn ihre moralischen Überzeugungen verrät, eine „Hure.“ Das Wesen der „Prostitution“ setzt Einvernehmen voraus. Wenn also Pädophile von „Kinder-Prostitution“ reden, dann fördern sie (absichtlich) die Lüge, dass kleine Kinder „verführerisch“ seien; dass sie sich im Austausch für Bargeld anböten, Sex mit Erwachsenen zu haben (welches sie natürlich nie zu sehen bekommen); dass sie „ihre Jungfräulichkeit verlören“, und „Affairen haben.“ Pädophile wissen, dass, wenn sie Erfolg damit haben, „Prostitution“ in einem Kontinuum sexueller Aktivitäten zu platzieren, das Kinder einschließt, sie einen Brückenkopf etabliert haben, von welchem aus sie ihre anderen Angriffe starten können. Sobald die Öffentlichkeit akzeptiert, dass Kinder zu Sex für Geld „einwilligen“ können, wird es leicht sein zu akzeptieren, dass sie zu Sex für „Liebe“ einwilligen können.

Wenn wir es dem Begriff „Kinderprostitution“ erlauben, in unserer Sprache hinlänglich Fuß zu fassen, treten wir wertvollen, hart erkämpften Boden an den Feind ab. So etwas wie „Kinder-Prostitution“ gibt es nicht. Der Begriff widerspricht sich selbst, will eine Lüge „belegen.“ Der Handel mit feilgebotenen Kindern wie in Thailand und den anderen „Kinder-Sex-Tourismus“-Ländern ist Sklaverei – jede andere Bezeichnung ist eine groteske Beschönigung oder eine offene Lüge.

Bald wird es einen nationalen Boykott gegen alle Waren geben, die in Thailand hergestellt oder verarbeitet wurden. Sein Ziel wird es sein, die verwerflichen „Kindersex-Touren“ zu stoppen, und diejenigen Länder zu bestrafen, die damit fortfahren, räuberischen Pädophilen einen sicheren Hafen zu bieten. Und eine gute Art anzufangen ist es, den Begriff „Kinder-Prostitution“ aus unserer Sprache zu verbannen.

Wenn der Journalismus einen Gott hat, ist es die Wahrheit. Wenn sexuelle Kindes-Misshandlung das ultimative Böse ist, ist es das ultimative Sakrileg, die von räuberischen Pädophilen so heiß geliebten, Kinder zerstörenden Mythen aufrechtzuerhalten.

Es ist Zeit für die Wahrheit.

 

© 2000 Andrew Vachss. Alle Rechte vorbehalten.
© 2004 Übersetzung Thomas Knorra für The Zero Deutschland



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