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The Official Website of Andrew Vachss
 

American Psychos: Clayton Moores Rezension von Haiku

Ursprünglich veröffentlicht in Bookslut, Oktober 2009


Manchmal kann die Unterbrechung einer Serie nicht nur ein Kurswechsel sein, sondern geradezu eine Offenbarung. Das war meine Erfahrung mit Andrew Vachss' Romanen außerhalb der Burke-Serie. Versteht mich nicht falsch: Hin und wieder mag ich einen guten Burke-Roman und Another Life, der Schlusspunkt unter der Burke-Reihe aus dem vergangenen Jahr, war der goldene Abschluss einer Hammer-Serie. Doch irgendwie fand ich stets mehr Gefallen an den anderen Werken des Autors, vielleicht, weil die Freiheit, nicht am Vertrauten kleben zu müssen, ihn in interessante Richtungen treiben lässt.

Das war im Jahr 2003 bei The Getaway Man (dt. Der Fahrer) der Fall – einem Buch das gleichzeitig so zerbrechlich wie unerschütterlich wirkte, dass es sehr gut zu den Pulp- Taschenbüchern des Hard Case Crime gepasst hätte, wenn es den Begriff damals schon gegeben hätte. Two Trains Running lässt Vachss ungezügelt durch seine eigene Lesart der amerikanischen Geschichte ziehen – eine, die verstörend und befremdlich erscheint, denn anders als bei Ellroy beruhen Vachss' Versionen von Geschehnissen fast immer auf absolut unglaublichen Wahrheiten.

Ebenso schön ist es zu sehen, was der Autor in seinem neuesten Experiment, Haiku, entfesselt, dessen vorrangige Aussage sich nicht aus den Nischen einer abgehobenen Inspiration formt, sondern aus dem ganz realen Ausschütten von immer mehr Obdachlosen auf Amerikas Straßen infolge der kommunalen Finanzkrisen.

Haiku stellt uns ein Ensemble faszinierender Charaktere vor: Einen losen Zusammenschluss von Nicht-Sesshaften, die aus reiner Notwendigkeit zusammengefunden haben, die kämpfen, nicht nur die Straßen zu überleben, sondern auch ihre eigenen überempfindlichen, labilen Persönlichkeiten. Zu ihnen gehört Michael, ein früherer Finanzjongleur, der alles verloren hat und sein Leben in Anbetung der einen unerreichbaren Sache verbringt, die ihn mit Gewissheit retten könnte; Lamont, ein ehemaliger Sträfling und gelegentlicher Straßendichter; Target, der nur in sich reimendem Kauderwelsch sprechen kann; Brewster, der seine Medikamente verkauft, um seinem Drang nach Büchern nachgehen zu können; und Ranger, ein Veteran, der seine Wahrnehmung der Welt so anpasst, dass sie zu seiner Umgebung und seinem Selbstbild passt.

Ihre einzigartigen Persönlichkeiten verleihen dem Buch eine unheimliche Vielfalt und sie alle werden eingefangen in Ausbrüchen poetischer, minimalistischer Prosa und den Zwiegesprächen von Ho, einem verstoßenen Sensei, der, wie er erklärt, nicht das ist, was er zu sein scheint.

Ich heiße nicht Ho. Ich habe diese Welt ohne einen Namen betreten. Einen Namen brauchte ich so wenig wie eine Anrede.

Es war Ranger, der mir einen Namen gab. Ich begegnete ihm einige Wochen, nachdem ich meinen Weg begann. Normalerweise trieb ich mich am Rand der einen oder anderen Gruppe herum. Nicht auf der Suche nach Zugehörigkeit, aber auf der Suche nach .... ich wusste nicht, wonach. Eines Nachts ging ein Mann auf eine Gruppe zu, die ziellos herumstand, darauf wartend, dass die Dunkelheit die Stadt bedeckt, bevor sie sich einen sicheren Platz zum Schlafen suchten. Ich beobachtete, wie einer nach dem anderen sich von der Gruppe löste.

"Wie kommt's, dass du dich nicht verziehst?" fragte mich der Mann, den ich später als Ranger kennenlernen sollte.

"Ich versuche noch herauszufinden, warum die anderen gegangen sind", erwiderte ich.

"Ich bin ein verdammter Psychopath", meinte er, wie zur Erklärung.

"Ah."

Gewiss, es steckt ein erzählerischer Zweck hinter der Prosa – dem "Trojanischen Pferd", wie Vachss sein unterschwelliges Bestreben gerne nennt: Andrew tut nie etwas ohne Grund. Und doch ist es elegant, traurig und lustig zugleich – und mit schlanken 211 Seiten eine willkommene Ergänzung eines kühlen Herbstabends.

Und hier setze ich euch ab, bei Zynikern und Psychopathen, Bilderstürmern und gefallenen Engeln. Wenn das nicht Amerika ist, dann weiß ich nicht, was sonst.

 

Clayton Moore hält es mit Mark Twain, wenn es um Patriotismus geht. Zuflucht vor den Schurken sucht er unter claywriting.blogspot.com.



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