Burke's KUNDE

Ein exklusives HITS Interview mit Andrew Vachss

Von Bruce Haring

Erzählen Sie mir, wie das Albumprojekt zustande kam.
Mein Partner Lou Bank, ein Marketing-Genie, hatte die Idee, einen Soundtrack zum Buch zusammenzustellen. Er sah das Buch und sagte "Ich könnte versuchen, eine Plattenfirma dazu zu bringen, die in dem Buch erwähnten Titel zu kaufen und eine Platte draus zu machen." Er leitet eine Marketingfirma namens Ten Angry Pitbulls.
Wie gefällt Ihnen das Album? Haben Sie irgendwas daran auszusetzen?
Natürlich gibt es einiges zu beanstanden, allerdings nicht an der Musik. Beim Remastern der Songs haben sie meiner Meinung nach wirklich gute Arbeit geleistet, sie klingen großartig. Ich finde die Art, wie das Ganze verpackt wurde, etwas verwirrend. Wenn man in der Musikabteilung "Safe House" von Andrew Vachss sieht, denkt man natürlich "Welches Instrument spielt der?" Niemand stellt die Verbindung her, vom Cover kann man überhaupt nicht auf den Inhalt schließen. Und - wenn man ein Fan ist, geht einem die Information verloren, daß die CD eine Kurzgeschichte enthält, die sonst nirgends erhältlich ist.
Wie stellen Sie sich das ideale Cover vor?
Es würde einige Zitate enthalten. Und einen kleinen Aufkleber, der auf die original Kurzgeschichte hinweist.
Was bedeutet Ihnen Musik? Sie sind offensichtlich ein Fan. Verkörpert Musik so etwas wie eine emotionale Befreiung?
Ich weiß nicht, ob ich ein Musikfan bin, aber ich bewundere einige Arten von Musik. Mit Musik kann man meiner Meinung nach am ehesten Gefühle hervorrufen.
Aber Sie würden nicht so weit gehen, zu behaupten, daß Sie wirklich tief davon berührt sind?
Das ist für mich schwierig, weil bei dem, was ich tue, meine Empfindungen so abgestumpft sind...Ich weiß nicht, ob ich ehrlich sagen kann, daß mich irgendetwas wirklich tief berührt. Aber dies kommt der Sache am nächsten...Das ist das Ehrlichste, was ich sagen kann.
Können Sie sich für irgendwelche Genres außer Blues begeistern?
Kommt drauf an, wie man den Blues definiert. Ich bin auch ein Bronx-Blues-Fan, Sie wissen schon, doo-wop.
Sie werden auf diesem Album als Songwriter erwähnt. Erzählen Sie mir etwas darüber.
Ganz einfach. Der Typ, der den Song schrieb entnahm große Teile des Textes direkt aus dem Buch. Ich bin also kein Songwriter, obwohl ich zusammen mit meinem guten Freund Doc Pomus,den ich sehr vermisse, jahrelang versuchte einen Song zu schreiben. Wir haben ständig darüber geredet, aber es ist nie was draus geworden.
Sie hätten einen Text geschrieben und Doc einen Song drumherum?
Er hätte gesagt: "Bist Du wahnsinnig?"
Andrew Vachss hatte eine sehr vielfältige Karriere. Der Autor mit der Augenklappe— "Ich habe das Auge mit sieben Jahren verloren, als ein anderer Junge mich mit einer Fahrradkette erwischte. Ich habe ihn nie wieder gesehen." —war früher Bundesermittler für Geschlechtskrankheiten, Sozialarbeiter und Direktor eines Hochsicherheitsge- fängnisses für jugendliche Straftäter. Als Anwalt beschränkt er sich heute ausschließlich auf die Vertretung von Kindern.

Vachss' elfter Roman, "Safe House," im April bei Alfred A. Knopf erschienen, dreht sich wieder um die Hard-Boiled-Figur Burke— Ex-Knacki, Überlebender in der Stadt, ein Mann mit einer kriminellen Karriere, den das Literaturmagazin Kirkus "einen der faszinierendsten männlichen Charaktere der Kriminalliteratur." nennt. Halb Doc Savage, halb Travis Bickel, ist Burke der Inbegriff des Anti-Helden.

In "Safe House," gehen Burke und seine Familie gewitzter Krimineller gegen einen geheimnisvollen Jäger vor, der offenbar von der Bundesregierung gedeckt wird. Als ungewöhnliche Zugabe zum Buch gibt es ein Begleitalbum mit Blues-Classics wie Buddy Guy, Irma Thomas, Howlin' Wolf und Muddy Waters. Auf viele von ihnen bezieht sich Burke während seiner niederschlagenen Fahrten durch die bösartigen Straßen von New York City. Das Booklet der CD enthält außerdem eine Kurzgeschichte namens "Reaching Back" von Andrew Vachss. "Andrew Vachss Safe House: A Collection of Blues" wurde von Repeat/Relativity veröffentlicht. HIT-Mitarbeiter Bruce "Creamed" Haring traf den Autor und versuchte, ihm einige juristische Gratisratschläge zu entlocken.

Hängen Sie viel mit Musikern rum?
Nein. Ich hing mit Doc rum, aber mit ihm wäre ich auch zusammengewesen, wenn er ein Kartenspieler gewesen wäre.

Wie haben Sie die Songs ausgesucht, die schließlich auf das Album kamen?
Ich habe 40 Stücke ausgewählt, die ich für wundervoll hielt, die Plattenfirma hat dann an allen die Rechte erworben. Ich hätte auch 500 Songs vorschlagen können, aber der Auswahlprozeß wäre dann für mich sehr schwierig geworden.

Ist die Platte gedacht, um mit dem Buch zusammen angeboten zu werden?
War gedacht, meinen Sie? Dafür ist es ein bißchen zu spät. Nein, ich denke, der Zug ist abgefahren, oder? Wenn das Album gleichzeitig mit dem Buch erschienen wäre, hätte ich auf der Lesetour Tausende davon verkaufen können, glauben Sie mir. Da gab es die CD aber noch nicht. Die waren also ungefähr einen Monat zu spät dran.

Ist überhaupt bekannt, daß es diese CD gibt?
Ich glaube nicht. Wir haben zwar von allen möglichen Leuten, die sich beschweren wollten, E-Mails bekommen ("Also wissen Sie. Ich habe das Buch gekauft. Auf dem Umschlag habe ich das mit der CD gesehen. Also gehe ich ins Geschäft, aber die haben die verdammte CD nicht.") Ich kann es wirklich nicht sagen. Es gab die CD nur eine sehr kurze Zeit.

Burke scheint im Buch sehr Internet-kritisch zu sein. Trotzdem haben Sie selbst eine recht ausgedehnte Website.
Ich finde ihn nicht Internet-kritisch. Er betrachtet die Cyber-Trottel kritisch. Wenn Sie auf meiner Website unter Cyber-Trottel nachsehen, werden Sie einen ganzen Artikel darüber finden, den ich für das Microsoft Network geschrieben habe. Burke ist kritisch, wenn es um Leute geht, die sich selbst zum Narren machen, die sich benutzen und manipulieren lassen.

Haben Sie denn keine Bedenken gegen dieses Medium als solches?
Nein, Bedenken habe ich nur wegen der Art und Weise, in der es benutzt wird. Ein Messer kann das Skalpell sein, mit dem man einen Tumor entfernt, oder etwas, mit dem sich ein Serienkiller vergnügt. Es ist ein neutrales Stück Technik. Genauso wie das Internet.

Was halten Sie von den Leuten, die Rock&Roll -Texte verbieten wollen, weil dadurch Menschen angeblich zu Verbrechen angestiftet werden?
Ich halte sie für Idioten. Denken Sie daran, daß Sie nicht mit jemandem Ihren Alters reden. Ich habe schon als Junge gehört, daß Rock&Roll-Texte des Teufels sind, verantwortlich für die Straftaten Jugendlicher, usw. — Hier wird Methodik mit Motivation verwechselt. Filme bringen Kids nicht dazu, Leute zu erschiessen. Aber wenn ein paar dumme Kids das imitieren, was sie in den Filmen sehen, und eine Schußwaffe falsch halten, fliegen ihnen halt die Patronenhülsen ins Gesicht. Da wird viel durcheinandergebracht. Bei Leuten, die bis zum Zerreissen gespannt sind, kann nahezu alles das Faß zum Überlaufen bringen...Musik oder Kunst oder auch eine Predigt. Nein, ich glaube nicht, daß Musik irgendwas verursachen kann.

Sie befürworten Zensur in keiner Weise?
Ich befürworte sie nicht, aber man muß da sehr vorsichtig sein. Ich betrachte Kinderpornographie nicht als Gesprächsthema. Und deren Verbot auch nicht als Zensur. Mit dieser Einschränkung also halte ich Zensur für sehr gefährlich, denn wer soll da entscheiden?

Was ist mit Leuten wie 2 Live Crew, deren Texte doch sehr bildhaft sind?
Yeah. Hören Sie, es gibt eine Menge widerliches, abstoßendes, sträfliches Zeug. Wenn Sie mal was richtig Übles hören wollen, dann hören Sie sich das Zeug der Rechtsextremen an: Tötet die Nigger, tötet die Juden,... Das ist wirklich aggressiv. Aber ich denke, es wird immer Leute geben, die von abstoßenden und geschmacklosen Sachen fasziniert sind. Natürlich sollte man keinen Fall deren Recht auf schlechten Geschmack verleugnen.

Sie haben in Ihrer Karriere an einigen üblen Orten gearbeitet. Wie sehen Sie, verglichen damit, die Musikindustrie?
Das ist gar nichts. Ich meine, okay, es gibt dort Lügner. Wow. Ich meine, niemand schießt auf mich. Ich weiß nicht genug über die Musikindustrie, um sie zu kritisieren. Zu der Zeit, als Doc noch Platten aufgenommen hat, hat die Musikindustrie die Künstler anscheinend im großen Maßstab ausgenutzt. Ich weiß nicht, ob das immer noch so ist. Ich bin kein Künstler. Aber die Musikindustrie ist - wie jede andere "Unterhaltungsindustrie" auch - nun mal kein Verdienstadel. Aus diesem Grunde verkauft sich Vanilla Ice besser als Muddy Waters. Mehr gibt es über Musik nicht zu wissen, und das selbe gilt für das Schreiben oder Malen oder alles andere, was die Menschen unterhalten soll. Was die Industrie betrifft, die Manager,usw.—ich hatte keinerlei angenehme Erfahrungen mit ihr, und ich hatte sicherlich nicht genug Erfahrungen, um hier zu verallgemeinern.

Es gibt Leute, die Burke in vielen Musikmanagern wiedererkennen könnten.
Das will ich nicht hoffen. Andererseits plane ich auch keine tiefgehenden Beziehungen zur Musikindustrie.

Keine weiteren Begleitalben zu Büchern?
Doch, das wird es geben. Das hat wirklich funktioniert; alle fanden die Idee klasse, allerdings werde ich es nicht wieder ohne ausreichende Einflußmöglichkeiten machen. Album und Buch sollten gleichzeitig erscheinen, das hat beim letzten Mal alles verbockt.

Woran arbeiten Sie zur Zeit?
Ich arbeite an meinen Fällen. Wenn Sie ein neues Projekt meinen, es gibt noch keines.

Wann werden Sie wieder etwas schreiben? Warten Sie auf eine bestimmte Stimmung?
Ich schreibe, wenn sich meine Wut um ein bestimmtes Thema konzentriert. Ich unterschreibe keine Buchverträge. Ich nehme keine Vorschüsse an. Ich habe keine Deadlines. Außerdem habe ich eine Karriere, die überhaupt nichts mit dem Schreiben zu tun hat. Wenn es sich ergibt, schreibe ich ein Buch und gehe dann auf meinen Verleger zu.
 

Mit freundlicher Genehmigung des HITS magazine.

 


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