B&N: Reden wir über Hard Looks, die grafische Adaption einiger
Ihrer Kurzgeschichten aus der Sammlung Born Bad. Wessen
Idee war die Adaption Ihrer Stories in das Comic-Format?
Ihre Idee oder die von Dark Horse? Hatten Sie irgendeine Ahnung,
wer die Adaption machen würde?
AV: Die Idee kam von Dark Horse, ich konnte in vielen Fällen
nur deren Vorschlägen folgen, weil ich die Künstler, die sie wollten,
nicht kannte. Aber die Auswahl der Schriftsteller, wie Joe Lansdale
oder Charles de Lint, Chet Williamson oder James Colbert habe
ich getroffen.
B&N: Sind Sie mit dem Ergebnis zufrieden?
AV: Mit einigen der Adaptionen haben sie meiner Meinung nach die GESTALT
erreicht, die sich jeder Schriftsteller wünscht, der nicht selbstsüchtig
an seiner Arbeit hängt: Das Ganze ist größer als die Summe seiner
Teile. Ich finde, bei einigen anderen sind sie gescheitert.
B&N: Warum, glauben Sie, eignen sich Ihre Stories besonders gut für
das Comic-Format?
AV: Ich denke, dadurch fügt man eine neue Dimension hinzu. Wenn Sie
schreiben, versuchen Sie in den Köpfen der Menschen Bilder entstehen
zu lassen. Wenn Sie nun mit jemandem zusammenarbeiten, der diese
Bilder in einer Weise kreieren kann, die Ihren Absichten entspricht,
dann erreichen Sie eine andere Dimension. Es gibt Menschen
meistens Männer die hyper-visuell orientiert sind, viel
mehr als sie sich an ihren anderen Sinnen orientieren. Wenn Sie
also, wie ich, ausschließlich "Trojanische Pferde" schreiben,
sind Sie froh für jede Mauer, die Sie hinter sich lassen.
B&N: Kommen wir zu einem völlig anderen Buch Ihre Sammlung
von Prosagedichten Another Chance To Get It Right. Wie
ist dieses Buch entstanden? Haben Sie es eigens für Dark Horse
geschrieben?
AV: Ich habe es nicht für Dark Horse geschrieben. Ein Teil des Originals,
ein Stück namens "One More Chance to Get It Right" erschien
auf dem Cover des Parade Magazin, die haben daraus einen Foto-Essay
gemacht, zusammen mit den Bildern des Fotografen Eddie Adams eine
sehr kraftvolle Sache. Die Reaktion darauf war schließlich der
eigentliche Auslöser für das Buch von Dark Horse.
B&N: Hatten Sie das Gefühl, es gäbe kein geeignetes Medium für
Another Chance To Get It Right, bis Dark Horse den Comic vorschlug?
AV: Es gab jede Menge Angebote dafür, aber alle wollten den Text mit
Fotos kombinieren. Was bedeutet hätte: Ein Buch, das 15 Dollar
gekostet hätte, würde jetzt 75 Dollar kosten; das genaue Gegenteil
von dem, was ich wollte.
B&N: Wie finden Sie das Ergebnis?
AV: Es gibt bestimmte Künstler Geoff Darrow ist
das beste Beispiel, aber auch Paul Chadwick und Gary Gianni
die tatsächlich diese besondere Gabe haben. Außerdem war diese
Sache im Gegensatz zu Hard Looks von Anfang an mit Illustrationen
geplant. Hard Looks war nicht mehr als eine Adaption. In diesem
Fall ist die Umsetzung meiner Meinung nach bemerkenswert gut gelungen.
Ich glaube nicht, daß der Text als solcher auch nur annähernd
diese Wirkung hätte erreichen können.
B&N: Es ist eine recht bemerkenswerte Sammlung von Skizzen. Entstand
das Buch in einem Zug, oder sind es Teile, die über einen längeren
Zeitraum zusammengetragen wurden?
AV: Es sind Prosagedichte, die im Laufe der Zeit entstanden, ohne
die Absicht, sie in diesem Format zu veröffentlichen. Das hat
sich so ergeben.
B&N: Ihnen liegt sehr viel daran, daß keine Thai-Produkte
gekauft werden. Warum?
AV: Ganz einfach. Thailand (aber nicht ausschließlich
Thailand) ist ganz dick im Kindersextourismus-Geschäft, ich glaube,
über diese Tatsache brauchen wir nicht zu diskutieren. Thailand
war für viele, viele Jahre das Pädophilen-Paradies. Ich halte
es für eine ehrwürdige bürgerliche Tradition, den Kurs einer Regierung
durch ökonomischen Druck zu ändern. Denken Sie an den Südafrika-Boykott
oder die Bürgerrechtsboykotts hier in Amerika. Thunfischproduzenten
werden boykottiert, weil sie Delphine fangen, Pelzhersteller werden
boykottiert, usw., usw. In diesem Fall schien uns die einzige
Möglichkeit, Druck auf eine fremde Regierung auszuüben, die, Geschäfte
mit deren Produkten abzulehnen. Solange sie also ihre Kinder ALS
PRODUKT behandeln, werden wir auch keins ihrer anderen Produkte
kaufen.
B&N: Sie haben Ihr ganzes Leben für die Rechte von Kindern vor Gericht
und im Rechtssystem gekämpft. Sie haben gesagt, daß Sie es als
Ungerechtigkeit empfinden, den Terminus "Inzest" zu
gebrauchen, weil er impliziert, daß der Schaden, den der Mißbrauch
durch einen Verwandten verursacht, kleiner ist als der durch einen
Fremden verursachte. Sehen Sie in dieser Sache irgendeinen Fortschritt
in den letzten zwanzig Jahren?
AV: Es gab umwälzende Fortschritte. Vor dreissig Jahren würden wir
diese Unterhaltung nicht einmal geführt haben. Ich kann mir nicht
vorstellen, daß der Audruck "Inzest" damals vor Gericht
gefallen wäre; und ganz bestimmt nicht in einem öffentlichen Forum.
Die Vorstellung von einem Anwalt, der ausschließlich Kinder vertritt,
wäre Science-Fiction gewesen. Es gab also eine radikale High-Speed
Evolution. Natürlich können wir das ganz unten im "Ground
Zero" viel besser sehen. Ich weiß, daß meine Weggefährten
und ich am Horizont schwimmen, und daß wir ertrinken werden, ehe
wir unser Ziel erreichen. Aber wir zählen auf die nächste Welle
und die danach. Ich bin so stolz auf die jungen Leute, die sich
jetzt in den einzigen "Heiligen Krieg", der diesen Namen
verdient, einreihen. Ich verspreche Ihnen, die nächste
Welle von Kinderanwälten wird ein Tsunami sein. Auf der anderen
Seite muß man natürlich fairerweise sagen, daß wir noch einen
ausgesprochen langen Weg vor uns haben. Aber wenn man betrachtet,
wie weit wir gekommen sind... Der Unterschied zwischen 1967 und
1997 ist unvorstellbar groß. Als ich mit dem Schreiben anfing,
hieß es, MEINE Bücher seien unmöglich zu veröffentlichen. Und
das nicht wegen der Qualität, sondern einzig wegen des Themas.
Das ist ganz offensichtlich nicht mehr so.
B&N: Wie steht es mit dem Fortschritt bei den Medien?
AV: Schwer zu sagen. Die Medien haben hin und her gependelt. Wenn
Sie in den Fünfzigern, als Ike im Weißen Haus saß, die Zeitungen
durchgeblättert haben, mußten Sie zu dem Schluß kommen, daß es
in Amerika so etwas wie Kindesmißbrauch nicht gab. Als die Medien
dann den Kindesmißbrauch "entdeckten", verhielten sie
sich in vielen Fällen unverantwortlich und suchten ihn unter jedem
Bett. Sie warfen einige der grundlegenden journalistischen Prinzipien
über Bord. Es gab einen allerdings vorhersehbaren
Rückstoß, und jetzt sind die Medien zum Teil sehr verängstigt.
Dabei sind die Medien meiner Meinung nach die wichtigste Kraft
zur Herbeiführung sozialer Veränderungen, ganz besonders der Journalismus,
wenn er auch nicht immer richtig und verantwortungsvoll betrieben
wird. Wenn Sie sich anschauen, wie "Journalismus" im Internet
aussieht, werden Sie wissen, was ich meine.
B&N: Ja, ich denke, Sie haben klar gemacht, daß Sie die
die Gefahren mißbrauchten Journalismus im Internet sehr intensiv
empfinden.
AV: Meiner Meinung nach ist Kinderporno im Netz nicht die größte Gefahr,
das gab es schon lange vor dem Internet. Es sind nicht die "Lonely-Hearts"-Killer,
die gibt es schon, seit man Briefe schreibt. Es sind nicht einmal
Trickbetrüger. Das Schlimmste ist, daß die Skepsis scheinbar gestorben
ist. Es gibt also eine ganze Generation,für die die Überprüfung
von Fakten und Quellen völlig irrelevant ist. Wenn es im Netz
steht, muß es wahr sein; als ob es irgendetwas Biblisches wäre.
Sie ignorieren die Tatsache, daß im Internet jeder eine fiktive
Person erstellen kann. Man interviewt sich selbst, zitiert sich
selbst und wird damit zum Experten mit den selben Referenzen wie
jemand, der sich diese im fairen Kampf erworben hat. Deswegen
erschreckt es mich so, wenn ich jungen Leuten auf eine Aussage
"XYZ" antworte "Das ist Unsinn!" und sie entgegnen
nur "Tja, aber ich hab's im Internet gesehen!". Hätten
Sie dasselbe in der Zeitung gelesen, wären sie sehr skeptisch.
Die Generation-X-Kids sind sehr blasiert und zynisch, aber wenn
sie etwas im Internet sehen, verwandelt es sich in etwas Heiliges.
Natürlich ist das erschreckend.
B&N: Was antworten Sie den Leuten, die Ihnen vorwerfen, Sie selbst
beuteten Kinder aus, indem Sie sie zur Schau stellen, über sie
schreiben und darauf eine Karriere aufbauen?
AV: Obwohl diese Art von Kritik keine Antwort verdient, werde ich
antworten. Wenn über etwas zu schreiben bedeutet, es auszunutzen,
dann gibt es eine ganze Menge Leute, die den Zweiten Weltkrieg
ausnutzen, es gibt eine Menge Leute, die den Rassismus ausnutzen,
die Kinderarbeit und auch geschlagene Frauen. Ich weiß nicht,
wie man soziale Veränderungen bewirken soll, ohne die Mißstände,
die man beheben will, zur Kenntnis zu bringen. Es ist ganz klar,
daß Leute, die solche Anschuldigungen gegen mich erheben, noch
keins meiner Bücher gelesen haben. Ich wurde kürzlich von der
Literaturredakteurin einer Westküstenzeitung interviewt. Das erste,
was sie sagte, als ich ihr Büro betrat, war: " Wie können
Sie nur so detaillierte Beschreibungen von sexuellem Kindesmißbrauch
veröffentlichen?" Ich sagte: "Das habe ich niemals getan.
Ich sehe eine ganze Menge meiner Bücher da auf Ihrem Regal. Zeigen
Sie mir ein einziges, in dem ich das getan habe!" Ihre Antwort
war: "Solches Material lese ich nicht!" Ich verstehe
nicht, wieso Leute, die Bret Easton Ellis' American Psycho
für brilliante Literatur halten, mir vorwerfen, daß ich Kindesmißbrauch
ausnutze, indem ich darüber schreibe. Seit ich mein Leben damit
verbringe, gegen den Mißbrauch zu kämpfen, bin ich auch nicht
wirklich an der Kritik irgendwelcher Arschkriecher-Seilschaften
interessiert, die Vetternwirtschaft betreiben, ohne wirklich an
unseren Bemühungen teilzunehmen. Ich frage mich nur, warum ich
als einziger ihren Vorwürfen ausgesetzt bin. Viele Leute schreiben
über viele Dinge. Stellt Thomas Harris Serienkiller zur Schau?
Ich kann mir nicht vorstellen, wie ein Journalismus funktionieren
sollte, der von der Vorstellung gebremst wird, über etwas zu schreiben
hieße es auszunutzen.
B&N: Wo können Interessenten mehr über die Anliegen Ihres Kampfes
erfahren und wo kann man Informationen zu "Don't Buy Thai!"
bekommen?
AV: Am besten auf der Website, http://www.vachss.com.
Dort gibt es Verbindungen zu Don't Buy Thai!, aber auch
zu CIVITAS,
dem Kinderschutzprogramm, das wir unterstützen, und von dem das
letzte Buch handelt. Ob Sie es glauben oder nicht, dort gibt es
auch etwas, das ich "Referenzen" nenne. Ich stehe in
diesem Geschäft seit dreissig Jahren an der Frontlinie und ich
bin eigentlich ganz froh, das nachweisen zu können. Ich würde
gern mal sehen, wie diese Leute, die sich als Kritiker gefallen,
ihre Lebensläufe neben meine legen. Wenn sie eine bessere Art
wissen, diesen einzigen "Heiligen Krieg" zu führen, können sie
auf mich zählen. Aber bis dahin haben sie sich den Respekt verdient,
den ein Krieger den Daheimgebliebenen entgegenbringt, ganz besonders
denen mit großen Klappen, die nichts leisten.