Barnes & Noble Interview
von Matt Schwartz


ursprünglich veröffentlicht auf der Barnes & Noble Website, Juni 1997

 

B&N: Reden wir über Hard Looks, die grafische Adaption einiger Ihrer Kurzgeschichten aus der Sammlung Born Bad. Wessen Idee war die Adaption Ihrer Stories in das Comic-Format? — Ihre Idee oder die von Dark Horse? Hatten Sie irgendeine Ahnung, wer die Adaption machen würde?

AV: Die Idee kam von Dark Horse, ich konnte in vielen Fällen nur deren Vorschlägen folgen, weil ich die Künstler, die sie wollten, nicht kannte. Aber die Auswahl der Schriftsteller, wie Joe Lansdale oder Charles de Lint, Chet Williamson oder James Colbert habe ich getroffen.

B&N: Sind Sie mit dem Ergebnis zufrieden?

AV: Mit einigen der Adaptionen haben sie meiner Meinung nach die GESTALT erreicht, die sich jeder Schriftsteller wünscht, der nicht selbstsüchtig an seiner Arbeit hängt: Das Ganze ist größer als die Summe seiner Teile. Ich finde, bei einigen anderen sind sie gescheitert.

B&N: Warum, glauben Sie, eignen sich Ihre Stories besonders gut für das Comic-Format?

AV: Ich denke, dadurch fügt man eine neue Dimension hinzu. Wenn Sie schreiben, versuchen Sie in den Köpfen der Menschen Bilder entstehen zu lassen. Wenn Sie nun mit jemandem zusammenarbeiten, der diese Bilder in einer Weise kreieren kann, die Ihren Absichten entspricht, dann erreichen Sie eine andere Dimension. Es gibt Menschen — meistens Männer — die hyper-visuell orientiert sind, viel mehr als sie sich an ihren anderen Sinnen orientieren. Wenn Sie also, wie ich, ausschließlich "Trojanische Pferde" schreiben, sind Sie froh für jede Mauer, die Sie hinter sich lassen.

B&N: Kommen wir zu einem völlig anderen Buch — Ihre Sammlung von Prosagedichten Another Chance To Get It Right. Wie ist dieses Buch entstanden? Haben Sie es eigens für Dark Horse geschrieben?

AV: Ich habe es nicht für Dark Horse geschrieben. Ein Teil des Originals, ein Stück namens "One More Chance to Get It Right" erschien auf dem Cover des Parade Magazin, die haben daraus einen Foto-Essay gemacht, zusammen mit den Bildern des Fotografen Eddie Adams eine sehr kraftvolle Sache. Die Reaktion darauf war schließlich der eigentliche Auslöser für das Buch von Dark Horse.

B&N: Hatten Sie das Gefühl, es gäbe kein geeignetes Medium für Another Chance To Get It Right, bis Dark Horse den Comic vorschlug?

AV: Es gab jede Menge Angebote dafür, aber alle wollten den Text mit Fotos kombinieren. Was bedeutet hätte: Ein Buch, das 15 Dollar gekostet hätte, würde jetzt 75 Dollar kosten; das genaue Gegenteil von dem, was ich wollte.

B&N: Wie finden Sie das Ergebnis?

AV: Es gibt bestimmte Künstler — Geoff Darrow ist das beste Beispiel, aber auch Paul Chadwick und Gary Gianni — die tatsächlich diese besondere Gabe haben. Außerdem war diese Sache im Gegensatz zu Hard Looks von Anfang an mit Illustrationen geplant. Hard Looks war nicht mehr als eine Adaption. In diesem Fall ist die Umsetzung meiner Meinung nach bemerkenswert gut gelungen. Ich glaube nicht, daß der Text als solcher auch nur annähernd diese Wirkung hätte erreichen können.

B&N: Es ist eine recht bemerkenswerte Sammlung von Skizzen. Entstand das Buch in einem Zug, oder sind es Teile, die über einen längeren Zeitraum zusammengetragen wurden?

AV: Es sind Prosagedichte, die im Laufe der Zeit entstanden, ohne die Absicht, sie in diesem Format zu veröffentlichen. Das hat sich so ergeben.

B&N: Ihnen liegt sehr viel daran, daß keine Thai-Produkte gekauft werden. Warum?

AV: Ganz einfach. Thailand (aber nicht ausschließlich Thailand) ist ganz dick im Kindersextourismus-Geschäft, ich glaube, über diese Tatsache brauchen wir nicht zu diskutieren. Thailand war für viele, viele Jahre das Pädophilen-Paradies. Ich halte es für eine ehrwürdige bürgerliche Tradition, den Kurs einer Regierung durch ökonomischen Druck zu ändern. Denken Sie an den Südafrika-Boykott oder die Bürgerrechtsboykotts hier in Amerika. Thunfischproduzenten werden boykottiert, weil sie Delphine fangen, Pelzhersteller werden boykottiert, usw., usw. In diesem Fall schien uns die einzige Möglichkeit, Druck auf eine fremde Regierung auszuüben, die, Geschäfte mit deren Produkten abzulehnen. Solange sie also ihre Kinder ALS PRODUKT behandeln, werden wir auch keins ihrer anderen Produkte kaufen.

B&N: Sie haben Ihr ganzes Leben für die Rechte von Kindern vor Gericht und im Rechtssystem gekämpft. Sie haben gesagt, daß Sie es als Ungerechtigkeit empfinden, den Terminus "Inzest" zu gebrauchen, weil er impliziert, daß der Schaden, den der Mißbrauch durch einen Verwandten verursacht, kleiner ist als der durch einen Fremden verursachte. Sehen Sie in dieser Sache irgendeinen Fortschritt in den letzten zwanzig Jahren?

AV: Es gab umwälzende Fortschritte. Vor dreissig Jahren würden wir diese Unterhaltung nicht einmal geführt haben. Ich kann mir nicht vorstellen, daß der Audruck "Inzest" damals vor Gericht gefallen wäre; und ganz bestimmt nicht in einem öffentlichen Forum. Die Vorstellung von einem Anwalt, der ausschließlich Kinder vertritt, wäre Science-Fiction gewesen. Es gab also eine radikale High-Speed Evolution. Natürlich können wir das ganz unten im "Ground Zero" viel besser sehen. Ich weiß, daß meine Weggefährten und ich am Horizont schwimmen, und daß wir ertrinken werden, ehe wir unser Ziel erreichen. Aber wir zählen auf die nächste Welle und die danach. Ich bin so stolz auf die jungen Leute, die sich jetzt in den einzigen "Heiligen Krieg", der diesen Namen verdient, einreihen. Ich verspreche Ihnen, die nächste Welle von Kinderanwälten wird ein Tsunami sein. Auf der anderen Seite muß man natürlich fairerweise sagen, daß wir noch einen ausgesprochen langen Weg vor uns haben. Aber wenn man betrachtet, wie weit wir gekommen sind... Der Unterschied zwischen 1967 und 1997 ist unvorstellbar groß. Als ich mit dem Schreiben anfing, hieß es, MEINE Bücher seien unmöglich zu veröffentlichen. Und das nicht wegen der Qualität, sondern einzig wegen des Themas. Das ist ganz offensichtlich nicht mehr so.

B&N: Wie steht es mit dem Fortschritt bei den Medien?

AV: Schwer zu sagen. Die Medien haben hin und her gependelt. Wenn Sie in den Fünfzigern, als Ike im Weißen Haus saß, die Zeitungen durchgeblättert haben, mußten Sie zu dem Schluß kommen, daß es in Amerika so etwas wie Kindesmißbrauch nicht gab. Als die Medien dann den Kindesmißbrauch "entdeckten", verhielten sie sich in vielen Fällen unverantwortlich und suchten ihn unter jedem Bett. Sie warfen einige der grundlegenden journalistischen Prinzipien über Bord. Es gab einen — allerdings vorhersehbaren — Rückstoß, und jetzt sind die Medien zum Teil sehr verängstigt. Dabei sind die Medien meiner Meinung nach die wichtigste Kraft zur Herbeiführung sozialer Veränderungen, ganz besonders der Journalismus, wenn er auch nicht immer richtig und verantwortungsvoll betrieben wird. Wenn Sie sich anschauen, wie "Journalismus" im Internet aussieht, werden Sie wissen, was ich meine.

B&N: Ja, ich denke, Sie haben klar gemacht, daß Sie die die Gefahren mißbrauchten Journalismus im Internet sehr intensiv empfinden.

AV: Meiner Meinung nach ist Kinderporno im Netz nicht die größte Gefahr, das gab es schon lange vor dem Internet. Es sind nicht die "Lonely-Hearts"-Killer, die gibt es schon, seit man Briefe schreibt. Es sind nicht einmal Trickbetrüger. Das Schlimmste ist, daß die Skepsis scheinbar gestorben ist. Es gibt also eine ganze Generation,für die die Überprüfung von Fakten und Quellen völlig irrelevant ist. Wenn es im Netz steht, muß es wahr sein; als ob es irgendetwas Biblisches wäre. Sie ignorieren die Tatsache, daß im Internet jeder eine fiktive Person erstellen kann. Man interviewt sich selbst, zitiert sich selbst und wird damit zum Experten mit den selben Referenzen wie jemand, der sich diese im fairen Kampf erworben hat. Deswegen erschreckt es mich so, wenn ich jungen Leuten auf eine Aussage "XYZ" antworte "Das ist Unsinn!" und sie entgegnen nur "Tja, aber ich hab's im Internet gesehen!". Hätten Sie dasselbe in der Zeitung gelesen, wären sie sehr skeptisch. Die Generation-X-Kids sind sehr blasiert und zynisch, aber wenn sie etwas im Internet sehen, verwandelt es sich in etwas Heiliges. Natürlich ist das erschreckend.

B&N: Was antworten Sie den Leuten, die Ihnen vorwerfen, Sie selbst beuteten Kinder aus, indem Sie sie zur Schau stellen, über sie schreiben und darauf eine Karriere aufbauen?

AV: Obwohl diese Art von Kritik keine Antwort verdient, werde ich antworten. Wenn über etwas zu schreiben bedeutet, es auszunutzen, dann gibt es eine ganze Menge Leute, die den Zweiten Weltkrieg ausnutzen, es gibt eine Menge Leute, die den Rassismus ausnutzen, die Kinderarbeit und auch geschlagene Frauen. Ich weiß nicht, wie man soziale Veränderungen bewirken soll, ohne die Mißstände, die man beheben will, zur Kenntnis zu bringen. Es ist ganz klar, daß Leute, die solche Anschuldigungen gegen mich erheben, noch keins meiner Bücher gelesen haben. Ich wurde kürzlich von der Literaturredakteurin einer Westküstenzeitung interviewt. Das erste, was sie sagte, als ich ihr Büro betrat, war: " Wie können Sie nur so detaillierte Beschreibungen von sexuellem Kindesmißbrauch veröffentlichen?" Ich sagte: "Das habe ich niemals getan. Ich sehe eine ganze Menge meiner Bücher da auf Ihrem Regal. Zeigen Sie mir ein einziges, in dem ich das getan habe!" Ihre Antwort war: "Solches Material lese ich nicht!" Ich verstehe nicht, wieso Leute, die Bret Easton Ellis' American Psycho für brilliante Literatur halten, mir vorwerfen, daß ich Kindesmißbrauch ausnutze, indem ich darüber schreibe. Seit ich mein Leben damit verbringe, gegen den Mißbrauch zu kämpfen, bin ich auch nicht wirklich an der Kritik irgendwelcher Arschkriecher-Seilschaften interessiert, die Vetternwirtschaft betreiben, ohne wirklich an unseren Bemühungen teilzunehmen. Ich frage mich nur, warum ich als einziger ihren Vorwürfen ausgesetzt bin. Viele Leute schreiben über viele Dinge. Stellt Thomas Harris Serienkiller zur Schau? Ich kann mir nicht vorstellen, wie ein Journalismus funktionieren sollte, der von der Vorstellung gebremst wird, über etwas zu schreiben hieße es auszunutzen.

B&N: Wo können Interessenten mehr über die Anliegen Ihres Kampfes erfahren und wo kann man Informationen zu "Don't Buy Thai!" bekommen?

AV: Am besten auf der Website, http://www.vachss.com. Dort gibt es Verbindungen zu Don't Buy Thai!, aber auch zu CIVITAS, dem Kinderschutzprogramm, das wir unterstützen, und von dem das letzte Buch handelt. Ob Sie es glauben oder nicht, dort gibt es auch etwas, das ich "Referenzen" nenne. Ich stehe in diesem Geschäft seit dreissig Jahren an der Frontlinie und ich bin eigentlich ganz froh, das nachweisen zu können. Ich würde gern mal sehen, wie diese Leute, die sich als Kritiker gefallen, ihre Lebensläufe neben meine legen. Wenn sie eine bessere Art wissen, diesen einzigen "Heiligen Krieg" zu führen, können sie auf mich zählen. Aber bis dahin haben sie sich den Respekt verdient, den ein Krieger den Daheimgebliebenen entgegenbringt, ganz besonders denen mit großen Klappen, die nichts leisten.

 


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