CSN Spotlight: Andrew Vachss
von Charles Rutledge


ursprünglich erschienen in Comic Shop News Nr. 231, 27. November 1991

 

Es war nicht die eigentliche Absicht von Andrew Vachss, Romane zu schreiben; sein erstes Buch, The Life-Style Violent Juvenile, war ernüchternde Non-Fiction, die sich mit den Motiven gewalttätiger Jugendlicher befasste und Möglichkeiten aufzeigte, mit diesen Jugendlichen umzugehen. Vachss ist ein Anwalt, der sich ausschließlich mit dem Schutz von Kindern beschäftigt. Dem Schutz von Kindern vor denen, die sie sonst mißbrauchen und ausbeuten würden. Außerdem ist er Autor von sechs Romanen und einigen Kurzgeschichten, die auf irgendeine Weise alle von Verbrechen gegen Kinder handeln.

1965 arbeitete Vachss als Ermittler für den US Public Health Service. Es schockierte ihn, Kinder zu sehen, die von ihren eigenen Eltern mit Geschlechtskrankheiten infiziert wurden. Seine Wut über diese Erfahrungen ließen Vachss das beginnen, was sich zu einem lebenslangen Kreuzzug zum Schutz von Kindern entwickeln sollte.

1992 wird Vachss' Kreuzzug dank Dark Horse die Comic-Szene erreichen. Dark Horse stellt eine Comic-Anthologie namens Hard Looks zusammen, mit Adaptationen von Vachss' Arbeit durch so namhafte Künstler wie Joe R. Lansdale, Neal Barrett Jr., Dave Gibbons, Geof Darrow, Chris Warner, Timothy Bradstreet und Tim Truman. Vachss selbst steuert dazu eine Einleitung bei.

Vachss benutzt seine Romane, um Leute zu erreichen, die andernfalls niemals etwas über die verzweifelte Lage mißbrauchter und vernachlässigter Kinder erfahren würden. Durch die Adaption seiner Arbeit von Dark Horse Comics hofft Vachss einen neuen Sektor der Öffentlichkeit zu erreichen. (Wie sich herausstellt, hat er das bereits geschafft. Noch bevor der Comic erschien nahm eine CSN-Leserin, selbst ein Mißbrauchsopfer, Kontakt mit Vachss' Büro auf. Sie suchte Hilfe, nachdem sie den ersten Artikel in Comic Shop News Nr.223 gelesen hatte.) Vachss war so freundlich und nahm sich die Zeit für ein Gespräch mit CSN's Charles Rutledge.


Die Mehrheit des Comic-Publikums ist vermutlich nicht mit Ihrer Arbeit vetraut. Könnten Sie uns erklären, was Sie in Ihren Büchern und den jetzt erscheinenden Comics zu vermitteln versuchen?

Das Thema eignet sich unglücklicherweise nicht besonders für Sinnsprüche. In meinem Geschäft gibt es nicht allzuviele Slogans. Ich versuche zu vermitteln, daß wir uns unsere Monster selbst züchten. Die Serienmörder, Vergewaltiger, die Brandstifter, die kichern, wenn sie Menschen brennen sehen — sie werden erschaffen, nicht geboren. Für keinen von ihnen gibt es einen genetischen Code. Den Preis für die Ignoranz gegenüber einem Kind, daß heute mißbraucht wird, bezahlen wir morgen einem neuen Raubtier. Das ist natürlich eine stark beschnittene Version davon, was ich zu vermitteln versuche.

Dark Horse hat bereits eine Adaptation einer Ihrer Geschichten namens "Placebo" veröffentlicht. Werden sie noch andere Storys adaptieren?

Dark Horse hat einige der kürzeren Sachen gekauft; diese erschienen in Magazinen von Ellery Queen's Mystery Magazine bis hin zu Cemetery Dance. Es gibt nahezu keine Art von Zeitung oder Zeitschrift, für die ich noch nicht geschrieben habe. Ich schreibe über nichts anderes als Verbrechen, Gewalt und Kindesmißbrauch, daher handeln alle auf die eine oder andere Art von diesen Dingen. Sie unterscheiden sich nur durch die Formate und Rahmenhandlungen. Es gibt da Storys über Inzest oder Kinderprostitution, oder eine Geschichte über ein Baby, daß zu Tode geprügelt wird, aber alle enthalten grundsätzlich dieselben Themen wie meine Romane.

Wie sind Sie mit Dark Horse zusammengekommen?

Dark Horse kamen völlig unerwartet auf mich zu — ich war höllisch mißtrauisch, als sie das taten. Aber dann haben sie mir buchstäblich Tonnen von Material geschickt und mir eine ganze Menge Versprechen gegeben — die haben sie alle eingehalten, einschließlich einer Stück-für-Stück-Abnahme der Arbeiten. Dann habe ich sie besucht und mir ihren Laden angesehen. Die haben mich wirklich überzeugt — und ich bin nicht so leicht zu überzeugen. Diese Jungs erschienen mir völlig ehrlich, für mich war der Deal beschlossene Sache, als sie zustimmten ein Prozent des Erlöses einer Kinderschutzorganisation meiner Wahl zu spenden. Wenn die Filmleute meiner Arbeit einen solchen Respekt erwiesen, und so mit meiner Arbeit verbunden wären wie die Leute von Dark Horse, wäre ich sehr froh.

Verstehen Sie Comics als eine gute Gelegenheit eine breiteres Publikum zu erreichen?

Eine unglaublich gute Gelegenheit, weil es ein ganz anderer Markt ist. Ich betrachte mich als eine Art Wanderprediger, und da suche ich mir natürlich die größte Gemeinde. Die Bücher haben ihres getan. Es gibt sie mittlerweile in sechzehn verschiedenen Sprachen — da werde ich nicht viel weiter kommen. Ich kann zwar im Laufe der Zeit noch mehr Bücher verkaufen, aber die würden kein neues Publikum ansprechen. Comics haben ein riesiges Publikum, das mit dem Buchmarkt-Publikum nichts zu tun hat.

Dark Horse adaptiert bereits bestehende Storys. Haben Sie irgendwelche Pläne, Material speziell für Comics zu schreiben?

Dazu kann ich nur sagen: Ich weiß nicht. Ich behaupte von mir nicht, diese besondere Gabe zu haben; Comics zu schreiben erfordert eine ganz eigene Begabung. Ich hab mir einige Skripts angesehen, die mir die Dark Horse-Leute freundlicherweise zukommen ließen, und ich habe mich mit Joe Lansdale durch die Adaption hindurchgekämpft — wenn Sie mich fragen, Joe ist ein Genie. Wir haben zusammen an der Adaption gearbeitet und ich habe viel daraus gelernt. Aber ich weiß nicht, ob ich schon so weit bin, über diese Brücke zu gehen. Ich habe zu viel Respekt vor dieser eigenen Art von Talent, um zu sagen: "Ja klar, das kann ich auch."

Besteht ein großer Anteil Ihrer Bücher aus tatsächlichen Erfahrungen?

Mir fällt keins ein, wo das nicht der Fall wäre. Natürlich gibt es da Grenzen: wenn ich die Merkmale verschiedener Leute zu einem Charakter verbinde, ist das doch ein Stück aus dem wahren Leben, oder? Das ist wohl Definitionssache. Allerdings sind die Verbrechen gegen Kinder nicht nur einfach aus dem Leben gegriffen, die sehe ich bei meiner täglichen Arbeit, die ich schon ewig tue...

Es gibt eine Menge beinahe übernatürlicher Elemente in Ihrem jüngsten Buch Sacrifice. Haben Sie daran gedacht, Horrorliteratur zu schreiben?

Sacrifice ist Horrorliteratur. Ich rede nicht von Stephen King-Horror; wenn ich von Horrorliteratur spreche, meine ich Monster — die Sorte, die wir uns selbst machen. Menschliche Monster, nicht die Sorte, von der wir nur träumen.

Der Grund, warum Sie ein Schriftsteller wurden, war also Ihr Wunsch, die Realitäten des Kindesmißbrauchs in Form von Romanen unter die Leute zu bringen?

Es war von Anfang an als Trojanisches Pferd gedacht. Vor den Romanen hatte ich bereits Sachbücher geschrieben. Ich hatte auch schon um die zwanzig Nonfiction-Artikel veröffentlicht. Mit den Romanen fing ich an, weil ich ein größeres Publikum als die sogenannten Professionellen erreichen wollte. Aber sie enthalten genau dasselbe Material, bloß ohne Fußnoten. Klar, es gibt eine Geschichte und Charaktere und sowas, aber das Material ist haargenau das gleiche. Wenn mein Schreiben gut ankommt, in Ordnung, meine Absicht war es aber, Leute zu unterrichten und sie hoffentlich wütend zu machen, nicht etwa, sie zu unterhalten. Ich habe nicht das geringste Verlangen danach, zu schreiben. Ich habe noch nie etwas anderes geschrieben — ich habe auch nicht vor, Western oder Science-Fiction zu schreiben. Dies hier ist meine Arbeit, und ich werde mich nicht dafür entschuldigen. Sie können behaupten, daß ich nicht gut schreiben kann, aber sagen Sie nicht, ich hätte keinen guten Grund zu schreiben, den habe ich nämlich.

Wenn Sie wissen wollen, was Sie gegen Kindesmißbrauch tun können, schreiben Sie an die Child Welfare League of America, 440 First Street NW #310, Washington DC 20077-0175.


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