Warum widmen Sie Shella
Doc Pomus und Iceberg Slim?
Doc Pomus war ein sehr, sehr guter Freund. Wir standen uns sehr nahe,
und ich finde, diese beiden sind sich auf irgendeine Art ähnlich.
Doc ist ein berühmter Songwriter, aber keiner kennt ihn als Sänger.
Er war ein wundervoller Sänger. Einer seiner Songs, "Heartlessly"
war auf dem besten Weg ein Hit zu werden. So wie er es erzählt hat,
hat ihn dann die Plattenfirma gelinkt, also ist er abgehauen und hat sich
geschworen "nie mehr zu singen". Er verbrachte den Rest seines Lebens
damit, Songs zu schreiben. Er wurde also niemals für sein eigentliches
und ganz besonderes Talent bekannt. Wenn Sie fragen: "Kennen Sie das Lied
'Save the Last Dance for Me'?" sagt natürlich jeder ja, aber Doc
Pomus kennt keiner. Iceberg Slim ist für jeden, der mal in der Nähe
eines Gefängnisses war, selbstverständlich ein Bestsellerautor.
Auch Slim war ein guter Freund, auch er ist vor kurzem gestorben. Er leistete
vom Ground Zero einen fast journalistischen Beitrag zur amerikanischen
Literatur, ein Beitrag, der einmal mehr, nicht wahrgenommen wird. Ich
wollte zwei Outlaws anerkennen, denen kaum Aufmerksamkeit zuteil wird.
Doc's Musik ist immer noch lebendig. Und die Bücher von Slim ebenfalls.
In einem Interview mit
einem der Lifestyle-Magazine, die jetzt anfangen, sich für Sie
zu interessieren, sagten Sie, daß ein Großteil Ihrer Stories
aus Ihren Akten stammt und daß ein Teil dieser Fakten so unglaublich
ist, daß Sie sie in Ihren Geschichten nicht verwenden können.
Ich untertreibe auf jeden Fall. Ganz sicher ist ein Teil meiner Arbeit,
die viele Leute so schrecklich finden, abgemildert. Jedes meiner Büer
war den journalistischen Reportagen voraus, ich werde jedesmal von allen
Seiten kritisiert. Wenn das Pendel dann zurückschwingt, heißt
es "Oh Mann, daß hätten wir wissen müssen." Ob das jetzt
Kinderporno im Internet ist, oder der Handel mit den Organen von Kindern,
oder Pädophile in Tagesstätten oder sechsjährige Mörder.
All diese Dinge, die ich in meinen Büchern schildere, wurden, wenn
Sie so wollen, später von den Medien bestätigt. Vor dieser
Bestätigung aber hat man sich sehr über meine Bücher
aufgeregt.
Warum ist das Ihrer
Meinung nach so?
Natürlich will niemand wahrhaben, daß da Haie im Swimming-Pool
sind. Vielleicht ist es auch mein Stil. Anstatt die Leute vorsichtig
an den Horror heranzuführen, neige ich dazu, sie im Genick zu packen
und mit der Nase draufzustoßen. Dazu kommt die Verbindung mit
meiner eigentlichen Arbeit. Man kann mich nicht als jemanden mit einer
düsteren Fantasie abtun, dazu arbeite ich schon zu lange als Anwalt.
Einer meiner Freunde
entdeckte vor kurzem, daß er ein Opfer von Kindesmißbrauch
ist. Was ihn wirklich ärgert, was ihn wirklich, wirklich wütend
macht als ob er da einen besonderen Grund bräuchte
ist die Aufmerksamkeit, die Widerrufen gewidmet wird. Was denken Sie
über die Aufmerksamkeit, die man jenen Leuten widmet, die jetzt
sagen: "Naja, ich dachte, ich sei mißbraucht worden, aber da muß
ich mich wohl geirrt haben?"
Zum Einen ist die "Falsche-Beschuldigung"-Bewegung sehr gut finanziert.
Zum Zweiten handelt es sich hier um eine Wachstumsindustrie. Wenn Sie
also einer solchen Sache beschuldigt werden, gibt es sehr, sehr viele
Experten , die bereit sind, alle möglichen Phänomene zu attestieren,
sei es das Parental-Alienation-Syndrom (Syndrom der Entfremdung von
den Eltern) oder das Syndrom der Falschen Erinnerung. Für keins
dieser Syndrome gibt es irgendeine wissenschaftliche Grundlage, keines
davon hat den geringsten wissenschaftlichen Wert. Aber für die
Amerikaner ist es sehr beruhigend zu wissen, daß hier eine Hexenjagd
stattfindet. Dabei bemerkt niemand, daß es in Salem gar keine
Hexen gab. Heute gibt es Hexen, es gab schon immer Hexen wir
fangen jetzt an, sie zu erkennen wir würden jetzt gerne
hören, daß das alles Unsinn ist und nur in den Köpfen
der Kinder rumspukt. Unglücklicherweise sind die Beweise, seien
es jetzt Geschlechtskrankheiten, Geständnisse oder Snuff-Filme,
so überwältigend, daß niemand das als psychiatrisches
Phänomen abtun kann. Die zweite Ebene der Beschwichtigung ist:
Man bezeichnet den Kindesmißbrauch als die Wunderwaffe in Sorgerechtsprozessen,
oder bezichtigt die Therapeuten der Gehirnwäsche und redet von
der Kindesmißbrauchsindustrie. Ich behaupte nicht, daß es
sowas wie falsche Anschuldigungen nicht gibt, obwohl ich diese Vorstellung
von falscher Erinnerung grundsätzlich bezweifle. Es klingt . .
. für mich nicht vernünftig. Aber natürlich gibt es überall
falsche Anschuldigungen. Ich habe schon gehört, daß jemand
zu Unrecht der Veruntreuung von Bankgeldern beschuldigt wurde.
Das Interessante an
dieser Art von Vorwürfen ist, daß sie die Atmosphäre
so vergiften, daß die Leute nicht mehr rational denken können.
Wenn Sie jemanden für einen Kinderschänder halten, betrachten
Sie ihn mit anderen Gefühlen als einen Räuber. Die Leute verstehen
gewöhnliche Verbrechen viel eher.
Wissen Sie, mein Freund, da muß ich Ihnen widersprechen. Ich sehe
das genaue Gegenteil. In Wirklichkeit will niemand einen bewaffneten
Räuber verstehen, jeder wünscht sich, den Inzesttäter
zu verstehen. Jeder will den Serienkiller verstehen. Jeder will den
Kinderschänder verstehen. Wir verschwenden unser Geld an sie, wir
kaufen sogar ihre verdammten Bilder. Wir machen sie zum Thema von Büchern.
Sehen Sie, wenn irgendwo ein Mann ein fünfjähriges Mädchen
schändet, nennt man ihn einen Perversen und schickt ihn ins Gefängnis.
Ganz anders wenn es seine fünfjährige Tochter ist dann
nennt man ihn das Opfer zerrütteter Familienverhältnisse und
schickt ihn zu einem Therapeuten. Wir denken nicht mal dreissig Sekunden
darüber nach, warum ein Mann stiehlt. Wir verbringen aber sehr
viel Zeit damit, darüber nachzudenken, warum ein Mann foltert oder
vergewaltigt. Meiner Meinung nach verschwenden wir mehr Fürsorge,
Aufmerksamkeit und Verständnis an räuberische Pädophile,
als vertretbar.
Es gibt eine ganze Reihe
von Verhaltensweisen, in die ich mich nicht, mich identifizieren oder
die ich verstehen kann. Also beginne ich mit der Frage: Kann ich, bin
ich fähig, halte ich mich für fähig, so etwas zu tun?
Kann ich mir vorstellen, es zu tun?
Da haben Sie den Schlüssel doch schon in Ihrer Hand. Wenn Sie sich
nicht vorstellen können, das zu tun, besteht für Sie auch
keine Gefahr, es zu tun. Lassen Sie mich das erklären. Wissen Sie,
was das DSM ist? Das Diagnostische und Statistische Handbuch
der Vereinigung Amerikanischer Psychiater. Es ist sowas wie das Wörterbuch
für psychiatrische Störungen. Das Buch ist im Grunde ein politisches
Dokument. Es dokumentiert verschiedene Traditionen. Also, das DSM
führte vor Jahren Homosexualität als Störung auf. Das
tut es heute nicht mehr, erwähnt aber es gibt immer noch das Konzept
der dystonischen Homosexualität, also einen Menschen, der homosexuell
ist, es aber nicht sein will. Okay? Niemand hat je einen dystonischen
Pädophilen diagnostiziert. Diese Leute sind völlig einverstanden
mit dem, was sie tun. Sie werden mir keinen zeigen können, der
je freiwillig um Behandlung gebeten hätte. Ich weiß nicht
wie viel Dutzend von denen ich interviewt habe; ihre Einstellung ist,
wenn man sie nur verstünde, würde man sie verehren und schätzen,
statt sie zu verachten, oder ihnen etwas antun zu wollen. Sie sind nicht
an unsere proletarischen Regeln gebunden. In Wirklichkeit ist nicht
ihr Verhalten falsch , sondern das Gesetz. So wie sie das darstellen,
hat es schon fast was von Nietzsche. Sie wollen nicht unser Verständnis,
um geheilt zu werden hinter ihren Soziopathen-Masken lachen sie
über unsere jämmerlichen Versuche, sie zu verstehen. Sie selbst
verstehen sich sehr gut. Eigentlich sind wir wie eine Herde Schafe,
die sagt: "Was um alles in der Welt stimmt nur mit diesen Wölfen
nicht? Was für ein Geisteszustand läßt sie diese Dinge
tun? Vielleicht sollten wir einfach mal mit ihnen reden!"
Ist der sexuelle Mißbrauch
von Kindern vorrangig ein Problem der Industriegesellschaften? Oder
ist er eine Gefahr, die in jeder Kultur besteht?
Meine Bücher sind in siebzehn Sprachen erhältlich. Ich bekomme
Briefe aus allen möglichen Ländern. Wenn man die übersetzte,
könnten sie ebenso gut aus Topeka in Kansas stammen. Es ist ein
Teil menschlichen Verhaltens. Ich glaube überhaupt nicht, daß
es etwas mit der Kultur zu tun hat. Es ist etwas Menschliches. Schon
die Bibel redet vom Inzest.
Warum haben Sie nicht
noch ein Burke-Buch geschrieben?
Ich wollte ein neues Gebiet erforschen. Ich wollte wirklich eine Liebesgeschichte
schreiben, über einen Soziopathen schreiben, der auf sich unterschwellig
bewußt ist, daß er ein Soziopath ist, daß ihm etwas
fehlt, eine Geschichte über seine Sehnsucht nach diesem Fehlenden.
Das hätte ich mit den Burke- Büchern nicht machen können,
weil die ganz anders klingen und weil die Leser von diesen Charakteren
ganz bestimmte Vorstellungen haben. Die Burke-Romane, die manche Leute
für sehr düster halten, sind, verglichen damit, Rebecca
von der Sunnybrook Farm. Diese Grenze wollte ich überschreiten.
Ich halte diese Gestalt
für sehr erstaunlich und fesselnd.
Er ist nicht wirklich eine Person, sondern ein erschaffenes Monster,
was ihm in den Jugendanstalten zustieß, war nur der berühmte
Tropfen, der das Faß zum Überlaufen bringt. Er verbrachte
seine gesamte Jugend damit, sich auf genau den Augenblick vorzubereiten,
an dem sie die Batterien in sein Radio packen. Er ist überaus gefährlich,
trotzdem gibt es bei ihm keine Spur von Sadismus. Es macht ihm keinen
Spaß, Leuten weh zu tun. Er ist auch nicht sexuell gestört.
Er ist im wahrsten Sinne des Wortes kriterienlos. Alles was er will
ist, seinen Talisman zu finden, und dafür ist er zu allem bereit.
Er weiß, daß er ohne Shella [die Figur, nach der der Roman
benannt ist] keine Chance hat, ein echter Mensch zu sein. Um sie zu
finden, würde er alles tun.
Ich meine, man muß
doch einfach seinen Mangel an ausbeuterischen Tendenzen und seinen Anstand
bewundern.
Er würde jeden töten, der sich zwischen ihn und Shella stellt.
Er ist dazu in der Lage, er weiß, daß er dazu in der Lage
ist, ein Mensch zu sein. Er weiß, daß er dazu in der Lage
ist, aber er glaubt nicht, daß das geschehen kann ohne diese Verbindung
zu Shella. Er ist in gewisser Weise anständig, kein Unsere kleine
Farm-Anstand, aber er hat Anstand. Diese Anständigkeit ist
allerdings eine amoralische. Das heißt, ohne eine Rechtfertigung
würde er niemandem etwas antun, aber, seine Art von Rechtfertigung
vorausgesetzt, gibt es nichts, was er nicht tun würde.
Das heißt, selbst
ohne Rücksicht auf sein eigenes Leben.
Oh ja. Für ihn ist klar, daß er ohne Shella sowieso nicht
überleben kann. Dieser Typ ist kein Überlebensexperte. Er
ist auch kein Kampfkünstler. Er ist dissoziativ, verläßt
völlig seinen Körper. Das ganze Trauma, der ganze Schmerz,
all die Furcht aus der Vergangenheit verschafft ihm Adrenalinschübe
und verdoppelt seine Kraft. Wer mit gewalttätigen Menschen arbeitet,
kennt das.
War er [die Hauptfigur]
Ghost schon im Jugendheim?
Nein, er war niemand. Sogar sein Name, John Smith, war nichts anderes
als ein Wortspiel.
Ist es eine besonders
clevere Art, jemanden zu töten, indem man ihm mit Batterien gefüllte
Socken überzieht?
Ich weiß nicht, ob das besonders clever ist, aber es funktioniert.
Außerdem ist es in den Heimen und Gefängnissen üblich.
Man nennt es batterypacking. Ja, klar "Verpaß dem Hurensohn
ein Battery-Pack." So geht's. Klar.
Ich will jetzt nicht
wie Barbara Walters klingen, aber sind Sie noch in der Lage, der Welt
gegenüber eine optimistische Grundhaltung zu bewahren?
Nein. Ich kann aber eine kämpferische Grundhaltung bewahren. Ich
behalte meine Einstellung, daß ich mich im Krieg befinde, egal
wie lange er dauert, daß ich nicht mehr da sein werde, wenn wir
ihn gewinnen. Aber ich werde meinen Teil dazu beigetragen haben. Aber
optimistisch, nein. Deprimiert auch nicht, oder zynisch. Ich versuche
nur, ein kampfbereiter Hardcore-Realist zu sein. Ich kann in einem Jahr
mehr Kinder retten als ein Unfallchirurg, aber das Problem Kindesmißbrauch
ist zu gewaltig, das kann ich nicht lösen. Die Bücher sind
meine Art, eine riesige Jury anzusprechen, die ich niemals im Gerichtssaal
sehen werde.
Sie wurden einmal zitiert:
Wut sei der Katalysator, der die Dinge ins Rollen bringt sonst
würden die Leute einfach auf einen anderen Kanal zappen. Ich frage
mich sogar, ob Wut heutzutage noch reicht, um die Menschen zu bewegen.
Ich kann nicht für die Menschen im allgemeinen sprechen. Für
mich hat die Wut genügt, aber ich denke der Trick ist, die Wut
mit den Eigeninteressen der Leute zu verbinden. Und ich meine, hier
versagen die Liberalen. Sie versagen völlig. Wenn Sie sagen, es
ist schlecht, Kinder zu verletzen, erreichen Sie X Menschen.
Wenn Sie aber sagen, das Opfer von heute ist der Täter von morgen,
dann erreichen Sie x hoch drei Menschen, genau das ist mein Vorgehen.
Ich denke, wir können beweisen, daß wir unsere eigenen Monster
bauen, unsere eigenen Bestien züchten. Sie sind keine genetischen
Mutationen, nicht das Ergebnis der Kultur oder des Niedergangs der Familie.
Sie sind keine Opfer der Wirtschaft. Eines der Themen in diesem Buch
ist, daß der schwule Murray [einer der Figuren] so verzweifelt
zur Bruderschaft [einer paramilitärischen, rassistischen Skinhead-Organisation]
gehören will, daß er dafür in die Tiefen der Hölle
gehen würde. Das ist ein menschliches Bedürfnis, das wir ignorieren.
Wir ignorieren es einfach. Die Folge sind diese Armeen hirntoter Roboter,
die rumlaufen und mit ihren Baseball-Schlägern Vietnamesen verprügeln.
Das muß nicht sein. Und wir müssen auch keine Kult- und Gangmitglieder
untersuchen wie Insekten in einem Glaskasten. Die könnten legal
und für eine andere Sache kämpfen. Es ist nichts Genetisches,
was sie zu Rassisten macht.
Waren Sie vorher mit
Ihren Büchern auf Lesereise?
Noch nie. Ich mach das zum ersten Mal. Ich bin viel, sehr viel als Redner
und als Anwalt unterwegs. Mein Verleger sagte zu mir: "Du kannst doch
nicht eine Gelegenheit nach der anderen verpassen! Du bist bei Oprah
und erwähnst nicht einmal, daß Du ein Buch geschrieben hast,
Du trittst bei Larry King und bei Good Morning, America
auf. Und jedesmal beißt du dich an dem Zeug fest, über das
du reden willst." Diesmal muß ich also aus dem verdammten Buch
lesen. Einmal hab ich's schon getan. Die sind fest beinahe schmerzhaft
entschlossen, daß...naja, Sie wissen schon: "Sie werden
über Bücher reden. Sie werden über Literatur reden. Sie
sind Schriftsteller, wir lassen uns von Ihnen nicht mehr benutzen."
Ich kann das verstehen.
Kennen Sie Sonny schon
lange?
Sonny Mehta? Natürlich. Wir haben eine lange Geschichte. Er war
mein allererster Auslandsverleger.
Haben Sie den Artikel
über ihn im Esquire gelesen?
Ja, hab ich. Ich kenne einen anderen Sonny Mehta als den, über
den die da berichten. Ich kenne einen Sonny Mehta, der zu mir stand.
Ich sag Ihnen was: meine Bücher sind nicht unumstritten. Ich habe
einflußreiche Gegner in diesem Geschäft. Verschiedene Zeitungen
erlauben keine Kritiken meiner Bücher. Und die geben das ganz offen
zu. Da ist viel Unsinn gelaufen. Aber Sonny hat die ganze Zeit zu mir
gehalten. Er glaubt an meine Arbeit und ist bereit, sie zu unterstützen.
Den Kerl, über den die reden, kenne ich nicht.
Haben Sie einen Agenten?
Ich habe jetzt einen Agenten, weil ich mit Filmen zu tun habe, mit Kurzgeschichten-Sammlungen
und mit meinem Kinderbuch für Erwachsene. Und meine Frau hat ein
Buch geschrieben, das im Juni erscheinen wird. Ein Sachbuch über
die Strafverfolgung von Sexualverbechen. All das zusammen wurde einfach
unmöglich. Aber mein Agent verkauft nicht in meinem Namen, und
er geht auch nicht mit meinen Manuskripten hausieren. Es ist klar, daß
Sonny mein Verleger ist.
Haben Sie einen Plan
für das nächste Jahr, oder die nächsten fünf Jahre?
Ja, ich habe einen Beruf, der mit dem Schreiben nichts zu tun hat. Ich
werde weiterhin an meinen Fällen arbeiten, ich werde weiterhin
Nachforschungen anstellen müssen und ich werde weiterhin Vorträge
halten, ausbilden und beraten. Ich werde weiterhin versuchen, Fortbildungsprogramme
für die juristische und die medizinische Fakultät zusammenzustellen,
um Anwälte auf ihre Aufgaben vorzubereiten.
Fällt es Ihnen
schwer, diese Stories zu schreiben?
Nein, nein. Ich bin ein sehr diszipinierter Mensch. Ich kann diese Sachen
erzählen, aber es tut mir weh, diese Gefühle zu empfinden.
Dieses Material ist mir sehr nahe.
In der Burke-Reihe haben
Sie einige Elemente verarbeitet, die die düstere Atmosphäre
mildern. Sie haben eine alternative Vorstellung von Familie entwickelt.
Ganz genau. Eine Wahlfamilie. Ich selbst habe eine solche Familie, ich
kenne selbst solche Leute; es gibt da ein Gefühl von Einigkeit
und Sinnhaftigkeit, eine Art Sicherheitsnetz in der Gruppe. Shella
ist ganz anders. Shella zu schreiben war für mich etwas
völlig anderes, ich mußte dabei sehr viel weiter gehen. In
diesem Buch wollte ich in keiner Weise etwas abmildern; ich denke, das
ist mir auch gelungen. Aber Sie haben recht, die Burke-Romane sind ganz
anders. Dafür gibt es einen Markt, die kann man gut verkaufen.
Dies hier ist eine andere Geschichte.
Lesen Sie andere
wie soll ich sagen Krimiautoren?
Ich nenne sie nicht Krimiautoren, weil das für mich nach Agatha
Christie klingt. Meine Favoriten sind Leute wie Eugene Izzy, James Colbert,
Joe Lansdale, Chet Williamson, Neal Barrett, Jr. usw.
Ich kenne keinen einzigen.
Natürlich nicht, das ist es ja, was mich wütend macht, aus
diesem Grund habe ich Doc Pomus und Iceberg Slim ja auch ein Buch gewidmet,
aber diese Schriftsteller leben alle noch. Ich mag Robert Stone sehr,
Alice Hoffman, und ich bin verrückt nach Gerald Kersh. Ich mag
Leute wie z.B. Paul Cain. Wenn es um moderne Autoren geht, finde ich
Leute wie die genannten unglaublich talentiert und begabt. Leider erhalten
sie viel zu wenig Aufmerksamkeit; die geht an, meiner Ansicht, kleinere
Lichter.
Hat sich die Qualität
der Bücher im Krimi-Genre verbessert?
Naja, das ist das Problem. Es gibt so viele Chandler-Clones. Wieviele
Bücher kann man denn schreiben über "Ich saß in meinem
Büro, die Füße auf dem Schreibtisch und fragte mich
gerade, wie ich die Miete bezahlen sollte. Die Flasche Jim Beam in der
Schublade und die .38er in meinem Schoß verschfften mir einen
geringen Trost, als plötzlich diese Blondine mit den unglaublichen
Brüsten reinkam . . ." Kommen Sie! Wer braucht denn sowas? Das
ist dieses recycelte Zeug, das Sie überall finden. Ein weiterer
Grund für Shella ist, als ich begann, mit Flood,
schrieb niemand über Kindesmißbrauch. Jetzt ist es der
Plot der Neunziger. Ich meine, sie finden keinen Krimi mehr, der ohne
irgendeinen Bezug darauf wäre. Ich bin also ein gutes Stück
weiter als am Anfang, das war meine Absicht.
Wie denken Sie über
Ihren Platz in der Literaturwelt?
Weil ich ein paar Literaturpreise gewonnen habe, hat mich mal jemand
gefragt: "Was halten Sie von Danielle Steel?" oder sowas in der Art.
Ich sagte: "Hören Sie, ich stelle mich nicht auf eine Stufe mit
irgendwelchen großen Autoren, aber ich halte von ihr ungefähr
so viel wie John Lee Hooker von Vanilla Ice halten würde." Weil
der Test, den es hier zu bestehen gilt, die Zeit ist; der Test findet
in fünfzig Jahren statt: Wer wird die Bücher lesen? Werden
die Leute modischen Kram lesen, oder wirkliche Literatur? Das Wunderbare
an Knopf (dem Verlag) ist, daß sie das wirklich verstehen.
Meinen Sie, Sonny hält
Damage wirklich für großartig?
Kein Kommentar. Aber ich denke, Sonny wird unfair beurteilt, wenn die
Leute ihn als Unternehmer bezeichnen. Sein Unternehmergeist macht es
ihm möglich, Risiken einzugehen. Er erhält keine Anerkennung
dafür, daß er Leute veröffentlicht, die sonst keiner
anrühren würde. Er erhält keine Anerkennnung dafür,
daß er Risiken eingeht. Diese Leute sagen: "Es ist so geschmacklos,
wie er nur ans Geld denkt." Leck mich am Arsch! In Wahrheit ermöglicht
das Geld, das er für den Verlag macht, diese Dinge doch erst. Wenn
er ein Buch ansehen und sagen kann: "Okay, das hier ist nicht die große
amerikanische Literatur, aber es hat kommerziellen Wert.", warum sollte
man ihn deshalb so verdammen? Ich bevorzuge einen offenen Markt. Von
mir aus soll jeder, der sich für einen Schriftsteller hält,
veröffentlichen. Von mir aus soll jedes Buch, das erscheint, vertrieben
werden. Ich würde diesen Buchkritiken-Unsinn stoppen, stattdessen
sollten Rezensionen ehrlich sein, so wie ich das mache. Bestimmte Sachen
mag ich nicht, also schreibe ich keine Rezension. Wenn ich eine Abneigung
gegen Chandler-Clones habe, werden Sie nicht erleben, daß ich
so ein Buch bespreche.
Meinen Sie, daß
Sie ein Werk erschaffen werden, das in irgendeiner Weise vollständig
sein wird?
Ich glaube nicht, weil ich ja wirklich immer arbeite. Ich habe jetzt
einige Foren, wie z.B. das Journal of Psychohistory oder das
Parade-Magazin. Ich versuche eher Einfluß auszuüben
und Ergebnisse zu erreichen, als einfach nur den Leuten irgend etwas
einhämmern. Wenn ich einen Wunsch frei hätte, nur einen Wunsch,
dann wäre das, mit meinen Büchern fertig zu sein. Das wär's.
Das wäre perfekt. Ich wüßte eine Menge Dinge für
dieses perfekte Leben, z.B. hinter Blondinen herjagen, auf die Rennbahn
gehen, Kartenspielen, Billiard... Aber ich habe mir eine Arbeit ausgesucht,
die nie getan ist. Und heute ist es eher so, daß mich das Pferd
reitet als umgekehrt.