Aus Littleton lernen

ursprünglich erschienen in SALON, 27. April 1999

Andrew Vachss, ein Anwalt, der ausschließlich Jugendliche vertritt

Es gibt zwei Arten von Schulmorden. Zum einen die Bindungsgestörten, Individuen mit einer Unfähigkeit, Bindungen einzugehen. Zum anderen eine Folie à deux. Hierbei handelt es sich wahrscheinlich um eine Art dieser folie à deux, eine Situation, in der keiner der beiden Beteiligten im Alleingang etwas derartiges getan hätte. Je isolierter sich die "Spieler" fühlen und sich selbst wahrnehmen, desto mehr suchen sie nach einem Mitstreiter. Ein Element davon ist Gruppenselbstmord. Diese Kids, die mit der eindeutigen Absicht zu sterben in die Schule gingen, waren meiner Meinung nach motiviert durch die Aufmerksamkeit, die andere für ähnliche Handlungen erlangten. Was ihnen fehlte, war die Wahrnehmung der Kosten im wahren Leben.

Interesse an Vernichtungsfantasien wie dem Nazismus, egal in welcher Form sie ausgedrückt werden, sollten jedem als Warnzeichen genügen. Der Nazismus hat seit jeher eine große Anziehungskraft auf gestörte und unzulängliche Charaktere, erklärt er ihnen doch stets ihre Probleme. Es war keine jüdische Schule, sie wurde nicht von besonders vielen Farbigen besucht, also taten sie das, was viele gestörte Menschen mit dem Nazismus tun: Sie veränderten ihn ein klein wenig. "Wir sind überlegen, die anderen sind alle gestört. Die unterdrücken uns wegen unserer Überlegenheit. Wir müssen sie vernichten."

Ich bin nicht davon überzeugt, daß irgendwelche neuen, hartdurchgreifenden Maßnahmen irgendeine Auswirkung auf Littleton gezeigt haben würden. Sehen Sie sich dieses Zitat an: "Jugendliche Kriminelle sind heutzutage ein ganz anderer Menschenschlag. Sie sind monströs. Sie scheinen sich nicht im mindesten um menschliches Leben zu kümmern. Sie repräsentieren fast eine wilde, räuberische Kreatur, gegen welche neue Maßnahmen gebraucht werden." Das stammt aus dem Jahre 1948. Keine dieser Wellen von Get-Tough-Gesetzgebung für Jugendliche, die in den 50ern ihren Anfang nahmen, hatte irgendeinen verbrechensbekämpfenden Effekt. Wenn man einmal an dem Punkt angelangt ist, an dem das eigene Leben ein Teil des Einsatzes ist, dann bringt dieses Get-Tough-Getue meiner Meinung nach nicht viel. Worüber Sie reden müssen, ist: Wie verhindert man das volle Erblühen dieser tödlichen Blume? Wenn man auf die Vernichtungsphilosophien trifft, sollte man sofort eingreifen. Das wäre ein sehr konfrontierendes Eingreifen. Obwohl es die Erste Zusatzerklärung (First Amendment) gibt, nach der Leute sagen können, was sie wollen: Es ist nicht sehr schwierig, junge Leute dahin zu bringen, daß sie das Reden aufgeben.

 


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